Automatisierte Fahrzeuge

Bernhard Gerster (BFH) und Wolfgang Kröger (ETH Zürich)

Stand der Dinge international und in der Schweiz

Automatisierte – oder auch sehr weitgehend assistierte – Mobilität ist ein Top-Technologiethema, das als Teil der digitalen Transformation viele Bereiche betrifft. Bereits heute verfügen Fahrzeuge mit immer leistungsfähigeren Fahrassistenten technisch über die Fähigkeit, gewisse Fahraufgaben selber ausführen zu können (Stufe 3 der Norm SAE J3016 der SAE International). Dies als Vorstufe für eine hohe Automatisierung, in der das Fahrzeug selbständig von A nach B fährt, aber immer noch Lenkrad und Pedale aufweist (Stufe 4 nach SAE J3016). Vollautomatisierte Fahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale (Stufe 5 nach SAE J3016), die nicht nur auf definierten Routen oder begrenzten Strassennetzen fahren können, erfordern auf technischer, aber auch legislativer Ebene noch erhebliche Fortschritte, weshalb sie hier nicht diskutiert werden.

Bereits der Weg zu Stufe 4 und der früheste Einsatz solcher Fahrzeuge werden kontrovers diskutiert. Anstatt einer langsam fortschreitenden Entwicklung scheinen «Quantensprünge» in absehbarer Zeit möglich, wahrscheinlich mit bahnbrechendem Einsatz von Lastwagenund Taxi-Flotten. Die Entwicklung von Fahrzeugen ohne begrenztes Einsatzspektrum ist nicht zu verwechseln mit dem Einsatz autonomer Taxis und Busse in Randbereichen und anderen begrenzten Gebieten der Städte. In der Schweiz sind auf geringer Komplexitätsstufe, d.h. auf vortrainierten Strecken und Strassennetzen, bereits in Sion, Fribourg sowie Neuhausen kleine Pendelbusse im Testbetrieb, weitere werden folgen. In Singapur ist allerdings schon eine ganze Flotte autonomer Taxis unterwegs, und Waymo hat erstmals die Erlaubnis erhalten, in Kalifornien Taxis ohne Begleitperson zu betreiben. Diese Pilotprojekte stellen viel geringere Anforderungen an die Umgebungswahrnehmung, Interpretation und Entscheidungsfähigkeit der Systeme, als es bei flächiger und allgemeiner Fahrzeugnutzung auf Stufe 4 notwendig wäre.

Der Trend zu automatisierter Mobilität ist von grosser Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund grosser, teils unrealistisch hoher Erwartungen wie besserer Auslastung der Strassen und Fahrzeuge, Ermöglichung neuer Mobilitätskonzepte und Businessmodelle, Kostensenkungen vor allem im Logistikbereich, neuer Mobilitätsangebote für Jung und Alt sowie Zeitgewinne infolge Wegfalls von lästigen Fahraufgaben. Aber auch Skepsis und Ängste grassieren, machen die Technologie und deren Akzeptanz verwundbar und mahnen zu behutsamen Vorgehen: Die Zuverlässigkeit und ausreichende Validierung der computergesteuerten Systeme werden angezweifelt, der Schutz gigantischer anfallender Datenmengen ist problematisiert, und Fragen hinsichtlich Kontrollierbarkeit, Haftung sowie Zulassungsund Einführungspraxis kommen auf. Software, die zusammen mit entsprechender Sensorik und weiterer Hardware, z.B. neue Mikro-Chips, Fahrerinnen und Fahrer weitgehend überflüssig machen, sind bereits im Entwicklungsund Erprobungsstadium. Dies schliesst die nötigen Algorithmen von maschinellem Lernen und Mustererkennung ein, also künstlicher Intelligenz. Zur erfolgreichen Einführung ist das Gesamtsystem zu optimieren und in übergeordnete Mobilitätskonzepte einzubinden, wobei beispielsweise bei dem Sensorsystem Kostenminimierung und Sicherheit gegeneinander abzuwägen sind. Das Nebeneinander von durch Menschen gesteuerten und automatisierten Fahrzeugen («Mischverkehr») ist ein nicht zu unterschätzender Problembereich, den es zu regeln gilt; nicht zuletzt sind Zulassungsfragen zu klären.

Konsequenzen für die Schweiz

Automatisierte Systeme sind ein Schwerpunkt in Forschung und Entwicklung an EPFL und ETH Zürich, diversen Fachhochschulen sowie bei führenden Automobilherstellern und grossen Systemzulieferern. Mit zunehmender Tendenz beschäftigen sich aber auch viele innovative KMU damit. Die Schweiz als hoch entwickeltes Land mit hoher Verkehrsdichte wird von automatisierten/autonomen Verkehrssystemen für den Personen- und Gütertransport profitieren und ist gut aufgestellt, um sich an deren Erprobung und Einführung aktiv zu beteiligen. Auch wenn die Schweiz über keine Automobilindustrie verfügt, bieten sich für die Automobilzulieferindustrie, für grössere Unternehmen (Logistik, Personen- und Gütertransport, Versicherungen) sowie für KMU (Sensorik, System- und Softwareentwickler) dank passender Expertise und Leistungsausweise neue Betätigungsfelder und Geschäftschancen.