Point-of-care-Diagnostik

Daniel Gygax (FHNW)

Stand der Dinge international und in der Schweiz

In-vitro-Diagnostika sind Medizinprodukte, die zur Diagnose von Krankheiten und zur Überwachung therapeutischer Massnahmen in Zentrallabors von Spitälern oder spezialisierten privatrechtlichen Labors eingesetzt werden. Gegenstand dieser Analysen sind Biomoleküle wie Eiweisse und Fette, menschliche Zellen und Mikroorganismen. Die zu analysierenden Proben stammen aus Blut, Speichel, Urin oder anderem biologischen Material. Diese Art der Erhebung von diagnostischen Daten ist hochprofessionell organisiert und liefert Daten von höchster Qualität. Nachteilig ist, dass die Patientinnen und Patienten zur Probeentnahme im Spital oder beim Hausarzt sein müssen.

Die Point-of-care-Diagnostik (POC-Diagnostik) ist ein Teilgebiet der In-vitro-Diagnostik. Sie soll die Durchführung eines Tests näher an die Patientinnen und Patienten bringen. Die bekannteste Anwendung ist die Überwachung und Behandlung von Blutzucker bei an Diabetes erkrankten Personen. Selbstkontrolle oder Selbsttests setzen ein einfaches und robustes Testsystem voraus, das in Zukunft mit mobilen Gesundheitsdiensten (mHealth, Telemedizin) verknüpft wird. Der grosse Vorteil ist die Verkürzung der Zeit zwischen Testdurchführung und therapeutischen Massnahmen, da die Messungen in Zukunft in Apotheken, durch die Spitex und in Alters- und Pflegeheimen möglich sind. Voraussetzung ist die Einbindung in ein übergeordnetes mHealth-Konzept. Aus technischer Sicht besteht ein Messgerät im Wesentlichen aus drei unterschiedlichen Modulen: Biosensor, Signalwandler und Signalprozessor. Ziel ist die Darstellung der Daten in einer benutzerfreundlichen Form. Heutige Geräte lassen bereits zu, dass die Daten tabellarisch oder grafisch über die Zeit dargestellt werden. Abweichungen von den Sollwerten sind einfach zu identifizieren. Solche aufbereiteten Daten können zur Interpretation direkt an den Hausarzt, die Klinik, eedoctors oder andere telemedizinische Anbieter wie Medgate weitergeleitet werden. Neben diesen rein technischen Aspekten gilt es bei der Entwicklung von POC-Diagnostik Folgendes zu berücksichtigen: Erkennung von genetisch bedingten Krankheitsanfälligkeiten, Diagnose und Überwachung von Krankheiten und Krankheitsverläufen, patientengerechte Handhabbarkeit der Geräte sowie die Kosten.

Konsequenzen für die Schweiz

Rund 430’000 Personen arbeiteten 2016 im Gesundheitswesen oder in der Pharmaindustrie, womit jeder zwölfte Beschäftigte in diesen Branchen angestellt war. Die pharmazeutisch- diagnostische Industrie gehört zu den Branchen mit hohem Innovationsgrad und hoher Wertschöpfung. Der Exportanteil der Produkte beträgt über 40 Prozent. Neben Roche als globalem Anbieter von Diagnostika gibt es in der Schweiz eine Reihe von KMU, die Geräte, IT-Lösungen, labormedizinische Dienstleistungen oder Reagenzien anbieten. Im Zuge des digitalen Wandels eröffnet sich für die POC-Diagnostik die Chance, durch die Verknüpfung mit mHealth eine ortsunabhängige Überwachung des Gesundheitszustands von Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Dadurch steigt deren Autonomie und Verantwortung sowie die Effektivität und Produktivität der Behandlung. Für die Schweiz ist die Herstellung von integrierten Produkten basierend auf interdisziplinären Kompetenzen (Gerätebau, Informationstechnologie, Life Sciences, angewandte Psychologie, Schulung, Vermarktung und Vertrieb) eine Chance, um im globalen Wettbewerb mit neuartigen Behandlungsmodalitäten bestehen zu können.