Kontinuierliche Fertigungsverfahren

Djordje Filipovic (Novartis)

Stand der Dinge international und in der Schweiz

Pharmazeutische Produkte werden traditionellerweise im Chargen-Modus produziert, was auch heute noch die dominierende Produktionsmethode darstellt: Definierte Materialien werden für eine definierte Zeit «bearbeitet» und dann als Produktionseinheit (Charge) freigegeben. Üblicherweise kommen mehrere separate, aufeinanderfolgende Prozesse zur Anwendung. Deren Produkte werden off-line analysiert und für den nachfolgenden Schritt freigegeben. In letzter Zeit hat «Continuous Manufacturing» vermehrt Bedeutung erlangt. Die Materialien durchlaufen alle Prozessstufen in einem Fluss, wobei kontinuierlich Ausgangs- und Zusatzstoffe zugegeben sowie die Endprodukte entnommen und freigegeben werden. Die Freigabe erfolgt auf Grund von On-Line- und In-Line-Prozessanalytik und Kontrollalgorithmen in Echtzeit.

Der kontinuierliche Ansatz bietet im Vergleich zum Chargen- Verfahren mehrere Vorteile: sicherere und kostengünstigere Produktion auf hochspezifischen und stark individualisierten Systemen, kürzere Produkteinführungszeit, kleinere und somit umweltfreundlichere Produktionsanlagen, geringere Anforderungen an Skalierung und Wartung sowie die Möglichkeit der «Autooptimierung». Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist die integrierte Qualitätskontrolle in Echtzeit, eine Grundvoraussetzung für Continuous Manufacturing. Entsprechende Produktionsanlagen stellen flexible Plattformen dar: Neue Prozesse können auf vorhandenen Continuous-Manufacturing-Linien schneller entwickelt werden, da sich dieselben Linien für Prozessentwicklung und Produktion verwenden lassen. Somit werden Kosten und Zeitbedarf für Skalierung massiv reduziert. Darüber hinaus vergrössert sich der chemische Lösungsraum: Weil die Reaktionsvolumina kleiner sind, können zum Beispiel «riskantere» exotherme Reaktionsschritte angewendet oder auch höhere Drucke appliziert werden, was wiederum die Synthese neuartiger Moleküle ermöglicht. Ebenso kann das Produktionsvolumen je nach Bedarf stufenlos variiert werden. Darüber hinaus sind diese Plattformen besser geeignet für die Implementierung massgeschneiderter medikamentöser Patientenlösungen.

Eine Haupthürde für die Einführung von Continuous-Manufacturing- Konzepten war das Fehlen der regulatorischen Rahmenkonzepte für dieses neue Produktionsparadigma. Unter der Führung der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA wurden in den letzten Jahren viele Ungewissheiten ausgeräumt, was zu einer starken Unterstützung für die Erforschung dieser Möglichkeiten führte. Darüber hinaus haben auch viele Ausrüstungshersteller grosse Schritte in Richtung Entwicklung von Continuous- Manufacturing-Konzepten unternommen. Zusätzlich werden nun Lösungen zur Prozessüberwachung und -analyse sowie integrierte Plattformen für Prozesskontrolle von mehreren Unternehmen angeboten. Kürzlich sind auch neue Hersteller in den Markt eingetreten, was zu kompetitiveren und besseren Lösungen für die Industrie führt.

Grosse Pharmaunternehmen sind wegweisend in der Umsetzung dieses neuen Paradigmas. Aber auch KMU haben begonnen, die Möglichkeiten und Vorteile von Continuous Manufacturing zu evaluieren. In der Zwischenzeit haben auch erste Produkte, die für Continuous Manufacturing entwickelt worden sind, regulatorische Zulassungen erhalten, z.B. Orkambi von Vertex Pharmaceuticals. Kürzlich wurde auch erstmals ein Wechsel von der Charge- zur Continuous-Methode zugelassen. Es kommt auch vermehrt zu engen Kollaborationen zwischen akademischen Institutionen und der Industrie, wie im Novartis-MIT Center for Continous Manufacturing.

Konsequenzen für die Schweiz

Die Schweiz ist grundsätzlich gut aufgestellt, obwohl die Anwendung primär auf grosse Produzenten beschränkt ist. Hauptaspekte, die es zu berücksichtigen gilt, sind Konzeptentwicklung, Ausrüstung und Automation. Die Zusammenarbeit mit Hochschulen bezüglich Konzeptentwicklung ist verbesserungsfähig und scheitert oft an Fragen des geistigen Eigentums. Gelegenheiten zur Zusammenarbeit gibt es auch mit Nischenanbietern bei der Entwicklung und Anwendung technischer Ausrüstung mit anschliessender Vermarktung durch den Industriepartner. Eine Erweiterung der Aktivitäten dürfte für die Schweiz von Bedeutung sein, weil der beginnende Paradigmenwechsel nur durch weitere Innovationsschritte beschleunigt werden kann. Dies bietet auch Gelegenheiten für kleinere akademische und privatwirtschaftliche Akteure.