Massenkultivierung von Stammzellen

Gerrit Hagens (HES-SO Valais-Wallis)

Stand der Dinge international und in der Schweiz

Mit den Fortschritten in der Organ- und Gewebetransplantation sind der Organmangel und eine steigende Nachfrage nach Spenderinnen und Spendern wichtige Hindernisse geworden – und bis heute geblieben. Die Wissenschaft hat deshalb mit der Entwicklung von Alternativen begonnen und Therapien auf der Grundlage menschlicher Stammzellen (human stem cells, HSCs) vorgeschlagen. Heute ist allgemein anerkannt, dass der Einsatz von HSCs bei biotechnologischen, pharmazeutischen sowie medizinischen Anwendungen wie Zelltherapie, Tissue Engineering oder regenerativer Medizin vielversprechend ist. HSCs können sich selbst erneuern und in spezialisierte Zellen differenzieren. Sie werden durch ihren Ursprung und ihren Grad der Spezialisierungsfähigkeit definiert: Pluripotente Stammzellen (PSCs) sind zur unbegrenzten Selbsterneuerung und Differenzierung in einen der über 200 Zelltypen des Körpers fähig. Es gibt zwei Quellen von PSCs: embryonale Stammzellen (ESCs) und induzierte pluripotente Stammzellen (iPSCs). Daneben gibt es auch multipotente Stammzellen, die aus Quellen wie mesenchymalen Stammzellen isoliert wurden und sich im Gegensatz zu PSCs nur in eine begrenzte Anzahl Zelltypen differenzieren lassen. Angesichts der Vielzahl von F&E- und Industrieanwendungen ist es selbstverständlich, dass die Nachfrage nach Stammzellen ständig steigt. Es werden vielfältige Anstrengungen unternommen, um Stammzellen in grossem Massstab zu kultivieren sowie effizient und homogen in die gewünschten Zelltypen zu differenzieren. Die meisten Labors vermehren Stammzellen auf ebenen Oberflächen in einer zweidimensionalen Kultur, einer so genannten Monoschicht. Die Produktion grosser Zellzahlen erfolgt durch Multiplikation der Kulturschalen: eine sehr aufwändige, teure und extrem arbeitsintensive Methode.

Konsequenzen für die Schweiz

Die grosse Herausforderung für Hersteller von Stammzellen besteht darin, gesetzeskonforme und kostengünstige Grossproduktionsprozesse zu entwickeln. Solche Prozesse erfordern automatisierte, kontrollierte und skalierbare Produktionssysteme. Der aktuelle Trend geht weg von zweidimensionalen Kultursystemen hin zu Systemen mit Suspensionskulturen (3D-Kulturen), die in Einweg-Bioreaktoren unter kontrollierten Bedingungen wachsen. Solche Systeme sind die Grundvoraussetzung für bezahlbare Stammzellen-basierte Therapien und erfordern die Zusammenarbeit zwischen biomedizinischen Forscherinnen und Forschern sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren. Der globale Markt für Stammzellen wächst und wird bis 2022 schätzungsweise 5 bis 10 Milliarden USD erreichen. Bezüglich der grossangelegten Stammzellen-Produktion stehen wir aber erst am Anfang. In der Schweiz werden an öffentlichen und privaten Forschungsinstitutionen Forscherinnen und Forscher sowie Ingenieurinnen und Ingenieure ausgebildet, die an vorderster Front stehen. Die Schweiz ist somit gut positioniert, um bei der Entwicklung der gewünschten Produktionsprozesse in Bioreaktoren eine wichtige Rolle zu spielen.