Kollaborative Robotik

Max Erick Busse-Grawitz und Ulrich Claessen (maxon motor)

Stand der Dinge international und in der Schweiz

Die Fertigung vieler Schweizer KMU ist geprägt von mehrheitlich kleinen Losgrössen sowie einer hohen Produktvarianz und unterliegt einem Dilemma: Werden für die Produktionsaufgaben Menschen eingesetzt, die dank ihrer Geschicklichkeit trotz hohem Stundenlohn oft produktiver sind als Automaten und Roboter – oder werden die Produkte mit erheblichem Aufwand neu entwickelt, damit sie für die Automatisierung und Robotik geeignet sind? In diesem Spannungsfeld verspricht die kollaborative Robotik zumindest teilweise Abhilfe. Kollaborative Roboter (Cobots) sind definiert als Roboter, die den Arbeitsbereich mit Menschen teilen und mit ihnen interagieren können (Definitionen in ISO 10218 und 15066). Um diese Zusammenarbeit gefahrlos ermöglichen zu können, verlangen die Normen Geschwindigkeiten von unter 1,5 m/s und kinetische Energien unter 40 Joule. Anstatt die Abläufe komplett den Robotern zu überlassen, soll der Mensch also weiterhin Tätigkeiten übernehmen, in denen er unschlagbar geschickt ist. Hingegen sollen Roboter einfache Routineabläufe übernehmen. Um die Aufgaben in «kompliziert» und «einfach» aufteilen zu können, ist eine Kooperation zwischen Robotern und Menschen unabdingbar, denn beide Arten von Arbeit sind in der Produktion eng miteinander verwoben.

Die kollaborative Robotik steht noch am Anfang, hat aber definitiv einen wichtigen Platz in der Zukunft. Dies weil immer kürzere Innovationszyklen und kleinere Stückzahlen pro Los eine Flexibilität erfordern, die starre Automationsformen nicht erreichen können. Des Weiteren ermöglicht die Robotik reproduzierbare, ermüdungsfreie Abläufe und damit konstante Qualität. Diese ist in der von hoher Wertschöpfung geprägten Schweizer Industrie besonders wichtig. Um das Potenzial wirtschaftlich ausschöpfen zu können, müssen Roboter erschwinglich sowie einfach konfigurier- und programmierbar sein. Das trifft immer häufiger zu. Bezüglich des Einsatzes kollaborativer Roboter gibt es noch viel brachliegendes Potenzial. Das liegt an zahlreichen technischen Vorbehalten, aber auch an der Angst vor Jobverlust und Veränderung. Da die Mehrheit der Produkte in elastischen Märkten angeboten wird, erzeugt eine dank Roboterhilfe gestraffte Preisstruktur mehr Arbeitsplätze als sie vernichtet. Die in der Robotik oft als abschreckend empfundenen Investitionskosten sind in der kollaborativen Robotik nicht so hoch, weil viele für starre Roboter nötige Sicherheitskomponenten wegfallen. Kamerasysteme zur Unterstützung werden auch immer erschwinglicher und einfacher einsetzbar. Der zunehmende Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Automation unterstützt diesen Trend. Typische gegenwärtige Anwendungen der kollaborativen Robotik müssen der noch geringen Gewandtheit und der durch Normen limitierten Geschwindigkeit Rechnung tragen. Deshalb kommen kollaborative Roboter heute vor allem beim Zu- und Wegführen von leichten Komponenten und bei einfachen Fügeoperationen zum Einsatz. Das direkte Lernen der kollaborativen Roboter vom Menschen wird für die nächsten fünf Jahre auf eher einfache Teaching-Vorgänge beschränkt bleiben.

Konsequenzen für die Schweiz

Die Schweiz ist mit ihrem hohen Anteil an industrieller Fertigung und mit ihren hohen Lohnkosten prädestiniert für den Einsatz kollaborativer Roboter. Sie gilt zwar als «Silicon Valley der Flugroboter», hinkt aber bei der Entwicklung von kollaborativen Robotern noch hinterher. Auf diesem Gebiet sind in Europa aktuell Dänemark, Deutschland und Schweden führend. Viele Start-ups bewegen sich im Umfeld grosser Unternehmen. Die Schweiz ist sowohl regulatorisch wie auch bezüglich Bildungslandschaft sehr gut aufgestellt, den Trend aufzunehmen. Dieser wird sich beschleunigen, wenn dank besseren Robotern und vereinfachter Programmierung die Anzahl möglicher Anwendungen in der Produktion steigt.