Plötzlich steht die Hafermilch in den Läden – doppelt so teuer wie Kuhmilch
In der Schweiz werden nur auf einem Bruchteil der Flächen Hülsenfrüchte angebaut – und dies, obwohl die Politik möchte, dass die Bevölkerung mehr Proteine von der Pflanze als vom Tier isst. Woran dies liegt, erklärt David Brugger vom Schweizer Bauernverband.
Plant Based ist zum Megatrend in der Nahrungsmittelindustrie geworden. Dennoch werden in der Schweiz nur auf einem Bruchteil der Flächen Proteinpflanzen angebaut. Bauen die Landwirte das Falsche an?
Tatsächlich sind pflanzliche Proteine und auch Kulturen wie Hafer, die bisher ein Schattendasein fristeten, sehr im Trend. Plötzlich steht importierte Hafermilch in den Läden und wird zu einem sündhaft teuren Preis verkauft - er ist doppelt so hoch wie jener für Kuhmilch. Daraufhin haben einige Verarbeiter begonnen, aus Schweizer Hafer Milch zu produzieren. Es ist aber noch immer ein sehr kleiner Markt. Wir würden gern mehr Hafer und mehr pflanzliche Proteine produzieren, aber die Nachfrage danach ist von Seiten der Nahrungsmittelindustrie und vom Detailhandel nach wie vor klein.
Dabei wollen viele Konsument:innen genau dies: biologische Produkte aus der Region.
Das Problem ist, dass die Behörden nicht die ganze Wertschöpfungskette der Nahrungsmittelproduktion, vom Anbau bis zum Konsum, regulieren. Es würde nichts bringen, nur die Direktzahlungen zu den Hülsenfrüchten umzulagern. Man muss auch die Nachfrage danach fördern - die Verarbeiter sind nicht verpflichtet, Schweizer Rohstoffe zu kaufen. Nehmen wir als Beispiel Quinoa: Quinoa aus der Schweiz kostet doppelt so viel wie Importiertes. Deshalb ist die Nachfrage der Verarbeiter danach klein - und für Bauern ist das Risiko gross, keine Abnehmer für Quinoa oder Hülsenfrüchte zu finden.
Nun kann man die Verarbeiter nicht zwingen, Schweizer Rohstoffe zu verwenden.
Nein, das wäre auch nicht sinnvoll. Sie wehren sich auch mit allen Mitteln dagegen, ihre Preise anzuheben, und dies obwohl die Rohstoffpreise nur einen Bruchteil des Produktpreises ausmachen. Das Problem ist: Sie müssen praktisch keine Zollabgaben für Eiweisskulturen aus dem Ausland bezahlen. Hier besteht überhaupt kein Grenzschutz. Beim Brotgetreide ist das anders: Der sogenannte Referenzpreis wird jeweils so angesetzt, dass das Getreide aus dem Ausland am Ende etwa gleich viel kostet wie jenes aus der Schweiz. So können die Importeure das komplexe und breit ausgehandelte Preissystem in der Schweiz nicht unterlaufen und den Getreidepreis weniger drücken
Dann müsste man aus Ihrer Sicht auch für Eiweisskulturen einen gewissen Grenzschutz einführen?
An sich schon, aber es ist momentan eher aussichtslos. Das Thema Grenzschutz ist ein rotes Tuch in der Bundesverwaltung. Aber wenn wir es der Landwirtschaft ermöglichen wollen, mehr Eiweisskulturen zu produzieren, dann müssen wir ihr Schützenhilfe geben und über einen minimalen Grenzschutz nachdenken.
Es gibt aber schon heute Betriebe, die Hülsenfrüchte für die menschliche Ernährung anbauen und für die lohnt es sich offenbar.
Bei diesen handelt es sich meist um Nischenanbieter. Sie haben Konsument:innen gefunden, die bereit sind, für ihre Produkte einen fairen Preis zu bezahlen. Würden diese Anbieter ihre Nische verlassen, müssten sie mit allen anderen Anbietern konkurrieren und der Preis würde zusammenfallen.
Sie sagten, es sei vorderhand nicht realistisch, dass ein Grenzschutz auf Hülsenfrüchten erhoben wird. Wie wollen sie das Problem angehen?
Die Herkunft der Rohstoffe muss besser deklariert werden. Bei Eiern, Fleisch oder Gemüse achten die Konsument:innen sehr darauf, woher sie kommen, auf die Inhaltstoffe von verarbeiteten Produkten hingegen kaum – Hülsenfrüchte, Getreide oder Zucker sind sogenannte Commodities und als solche in der Verarbeitung frei austauschbar. Wir müssen deshalb auch auf politischem Weg Druck machen und darauf hinarbeiten, dass die Rohstoffe ähnlich wie bei Brot- und Backwaren deklariert werden. Im Sommer 2021 hat das Parlament beschlossen, dass im Offenverkauf zum Beispiel deklariert werden muss, wenn das Brot als Teigling importiert wurde – die Konsument:innen erwarten auch, dass Brot in der Schweiz hergestellt wird.
Dann sollen sozusagen die Konsument:innen den Grenzschutz übernehmen?
Beim Handelsabkommen mit der WTO hat man die etablierten Märkte von Getreide, Fleisch, Milch, Obst oder Gemüse geschützt, der ganze Rest hingegen hat man völlig vernachlässigt – er erschien unbedeutend. Das Problem ist, dass man diese Commodities auf dem Weltmarkt extrem günstig bekommt. Mit solchen Preisen können die Schweizer Bauernfamilien schlicht nicht konkurrieren.
Weshalb nicht?
Wir wollen in der Schweiz eine kleinteilige, familiengeführte Landwirtschaft. Die Bauernfamilien produzieren relativ kleine Mengen und können nicht mit den Grossbetrieben im Ausland mithalten. In Kanada zum Beispiel verfügt ein Betrieb im Ackerbau im Durchschnitt über 3000 bis 4000 Hektaren Land, in der Schweiz sind es 26 Hektaren. In Kanada dürfen sie vor der Ernte den Unkrautvernichter Glyphosat einsetzen, in der Schweiz zum Glück nicht. Wie wollen die Schweizer Betriebe unter diesen Bedingungen mithalten?
Wie hoch muss der Preis steigen?
Eine Verdoppelung reicht nicht, wir müssen ein Mehrfaches des heutigen Rohstoffpreises haben. Heute haben die Rohstoffe vom Acker fast keinen Wert und hinken in der Wirtschaftlichkeit anderen Kulturen hinten nach. Wenn Bundesrat und Parlament in ihrer Ernährungsstrategie aber sagen, dass die Bevölkerung weniger tierische Produkte essen soll und dafür mehr Pflanzliches, dann müssen sie diese Rohstoffe entsprechend honorieren. Die Nachfrage nach Milch, Fleisch und Eiern ist ungebrochen hoch – weshalb sollen die Bauernfamilien ihr Einkommen daraus aufgeben und etwas anpflanzen, von dem sie nicht leben können? So kommt zu keiner Umlagerung in der landwirtschaftlichen Produktion.
Für eine Preiserhöhung ist der Moment denkbar ungünstig - die Preise für Energie und vielen weiteren Produkte steigen deutlich.
Ja, es ist ein ganz schlechter Moment. Das hat auch das deutliche Nein zur Massentierhaltungs-Initiative Ende September gezeigt – der Preis spielt bei vielen Konsument:innen eine sehr grosse Rolle. Aber auch die Bauern zahlen mehr für Futter, Maschinen oder Energie. Ich glaube aber nicht, dass die Haushalteinkommen dadurch gesprengt werden. In der Schweiz zahlen die Haushalte lediglich 6,4 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel – so wenig wie fast nirgendwo sonst auf der Welt.
Was kann die Technologie beitragen?
Sie kann dafür sorgen, dass die Nebenströme ebenfalls genutzt werden, also die Produkte, die bei der Nahrungsmittelherstellung anfallen, aber nicht verwertet werden. Wenn zum Beispiel Öl aus Raps gepresst wird, bleibt der Rapskuchen zurück. Heute wird er Tieren verfüttert, andere Nebenströme werden in der Biogasanlage zu Energie umgewandelt. Das ist nicht falsch, aber man könnte sie hochwertiger verarbeiten. So wäre auch der Rohstoff mehr wert - und das müsste sich im Preis für die Bauernfamilien niederschlagen.