Forum Blockchain: Grosses Potenzial – viele Fragezeichen
- Digitalisierung, Früherkennung
Am 9. Mai diskutierten rund 20 Fachleute den Einsatz von Blockchain für Finanzdienstleistungen, im Gesundheitswesen und in Logistik/Handel. Die Basis bildeten sieben Kurzreferate aus Perspektive von akademischer Forschung und Industrie. Fazit: Blockchain bietet vielversprechende Anwendungen, ist aber noch nicht reif für den breiten Einsatz. Wann wird es aber soweit sein?
Rund 20 Expertinnen und Experten folgten der Einladung der SATW und nahmen am Innovationsforum zur Blockchain in Zürich teil. Thomas Puschmann, Direktor des Swiss FinTech Innovation Labs an der Universität Zürich, führte durch den Nachmittag, der in drei Themenblöcke gegliedert war. Als besonders wertvoll erwies sich der interdisziplinäre Austausch zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der drei Anwendungsgebiete.
Blockchain für Finanzdienstleistungen
Das Start-up Alethena bietet mit «Share Dispenser» eine auf Blockchain basierende digitale Plattform an, wo Anteilscheine nicht börsenkotierter Start-ups und KMU gehandelt werden können. Die Transaktion mittels Blockchain läuft ohne Mittelsmann ab, ist sehr schnell und generiert kaum Transaktionsgebühren. Eine künftige Herausforderung wird sein, die Aktien der grossen, börsenkotierten Unternehmen zu tokenisieren und digitalisieren. Für Versicherungen stellt das Speichern von Risikodaten in einem Datentresor in der Blockchain ein grosses Potenzial dar. Der Versicherungsnehmer hat somit die vollständige Kontrolle über seine Daten und erlaubt z.B. Versicherungen nur Zugriff auf die zweckgebundenen Daten. Der Aufbau solcher Datentresore ist eine grosse Chance für die Schweiz. Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass Blockchain den Finanzsektor umkrempeln kann, da Mittelsmänner eliminiert und die Transparenz erhöht wird. Dies ist allerdings noch Zukunftsmusik, bedarf weiteren Investitionen in Forschung und Entwicklung, der Rekrutierung junger Talente sowie regulatorischer Anpassungen.
Blockchain im Gesundheitswesen
Im Gesundheitswesen gibt es verschiedene Treiber für Blockchain, wobei das medizinische Supply-Chain-Management der vielversprechendste ist. Blockchain ermöglicht dort den ständigen Nachweis von Standort und Eigentumsverhältnis sowie Überwachung der Umweltbedingungen, was Transparenz garantiert. Während heute teure und ineffiziente Audits die Lieferantenstandards sicherstellen, könnte die Blockchain künftig eine Alternative bieten: Dezentrale Identitäten könnten das künftige Gold sein. Referenzen und Legitimationen der Lieferanten werden von einem vertrauenswürdigen Unternehmen ausgestellt, digitalisiert und in der Blockchain gespeichert. Der Identitätsinhaber, z.B. der Lieferant, kann diese «eCredentials» dann an potenzielle Kunden weitergeben, die sie wiederum in einem Blockchain-Netzwerk überprüfen können. Digitale Zugangsdaten können Vertrauen und Effizienz steigern, Redundanzen eliminieren und gelten als Treiber der Technologie. Denkbar wäre auch, Patientendaten in der Blockchain zu speichern und in eine digitale Identität umzuwandeln. Dies ist jedoch eher eine langfristige Vision.
Blockchain in Logistik und Handel
In der Logistik ermöglicht Blockchain eine lückenlose Nachverfolgung und somit eine deutlich verbesserte Qualitätssicherung sowie ein erleichtertes Kooperationspotenzial. PostLogistics präsentierte den Use Case «Smart Pharma», der eine kontinuierliche Temperaturmessung in Paketen ermöglicht. Ein Logger wird in das jeweilige Paket integriert und mit diesem «verheiratet», bevor es verschickt wird. Von diesem Moment an wird die Temperatur ständig kontrolliert und die Daten werden in der Blockchain gespeichert. Bei der Auslieferung werden der Logger entfernt und die gespeicherten Daten analysiert/visualisiert. Abweichungen von der Normtemperatur und somit von den Anforderungen sind sofort sichtbar. Der Service kann auf andere Anwendungen und zusätzliche Parameter wie Licht und Feuchtigkeit ausgedehnt werden. Das Thema digitale Identitäten spielte im Referat der SBB eine wichtige Rolle: Sie präsentierte die Blockchain-Lösung für das Zutrittsmanagement zum Gotthard-Basistunnel. Das in der Blockchain gespeicherte «eWallet» eines Mitarbeiters enthält die Informationen, was er wann, wo getan hat und über welche Qualifikationen er verfügt. An den Eingängen zum Tunnel wird das «eWallet» überprüft und die Information, wer wann, wo und mit welchem Zertifikat zu welchem Zweck arbeitete, in der Blockchain gespeichert. Die Informationen sind unveränderlich und jederzeit abrufbar. Der Bauprozess wird somit vollständig in der Blockchain dokumentiert. Wie bei den anderen Anwendungen sind auch hier Transparenz und Effizienz die wichtigsten vertrauensbildenden Faktoren.
5-10 Jahre bis zur Serienreife
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Hinweise auf die zukünftige Bedeutung von Blockchain und auf mögliche «Killeranwendungen» gibt, welche die Technologie vorantreiben werden. Ein Vorteil ist, dass Blockchain eine unveränderbare Wahrheit («common immutable truth») ohne Zwischenhändler und P2P-Transaktionen über Token und Smart Contracts garantiert. Die Fachleute waren sich einig, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist und mindestens weitere fünf bis zehn Jahre bis zur Serienreife braucht. Zu den Herausforderungen gehören die Existenz unterschiedlicher, inkompatibler Blockchains, die Forderung nach Interoperabilität, mangelnde Skalierbarkeit, der hohe Energieverbrauch und Ineffizienz. Die erfolgreiche Etablierung digitaler Identitäten (e-Identitäten) scheint eine Voraussetzung für den Durchbruch der Technologie zu sein.
Kontakt:
Claudia Schärer, Leiterin Früherkennung, Tel. +41 44 226 50 20, claudia.schaerer(at)satw.ch
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