Öffentliche Konferenz «Fighting Fake Facts»: Der Vormittag
Am 4. Februar fand in Basel die Konferenz «Fighting Fake Facts» statt. Expertinnen und Experten aus mehreren Disziplinen schilderten ihre Sicht auf Fake News und nannten Vorschläge, wie diesen beizukommen sei. Klar ist: Die Situation hierzulande ist weniger prekär als beispielsweise in den USA. Hier die Zusammenfassung des Morgens.
Gemeinsam mit dem Open-Access-Verlag MDPI und weiteren Partnern organisierte die SATW am 4. Februar in Basel die Konferenz «F3-Fighting Fake Facts». Prof. Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel begrüsste die Teilnehmenden und beglückwünschte die Veranstalter zur Wahl eines «hochbrisanten Themas». Dass Fake News kein neues Phänomen sind, zeigte sie anhand historischer Beispiele. Doch das Tempo ihrer Verbreitung sei massiv gestiegen. Und wenn etablierte Medien pauschal als «Lügenpresse» diffamiert würden, müsse man die Alarmzeichen ernst nehmen: «Denn es ist eine Kernaufgabe von Journalisten wie auch von Wissenschaftlern, Fakten zu prüfen.»
Prof. Peter Seitz illustrierte anhand von Beispielen wie Homöopathie oder speziellen Diäten, wie Menschen mit falschen Versprechungen hinters Licht geführt werden und wie die Wissenschaft diese widerlegen kann. «Zweifeln Sie!», so sein Appell. «Wenn Sie Wissenschaft machen, müssen Sie in erster Linie eine Eigenschaft haben: Absolute Ehrlichkeit, vor allem mit sich selbst.» Mit dieser Ehrlichkeit fragte er die Anwesenden: «Braucht es diese Konferenz?» Die Antwort wurde im Laufe des Tages gegeben.
Die journalistische Optik
Als Mitglied des Faktencheck-Netzwerks von SRF ist Tagesschau-Redaktorin Anita Bünter ständig auf der Suche nach «True Facts». Täglich treffen 1500 bis 2000 Videos bei der Redaktion ein, die meisten von internationalen Bildagenturen, aber immer mehr auch aus den Sozialen Medien. Das Netzwerk ist ein SRF-internes Service-Center zur Überprüfung der Authentizität von Bildern, Videos etc. Anhand von Beispielen zeigte sie, wie das mit öffentlichen Recherche-Tools wie Google Maps gemacht werden kann.
«Wer mit Klicks Geld verdient, muss sich am Massengeschmack orientieren, an Cats und Kardashians», so NZZ-Chefredaktor Eric Guyer pointiert. Für Qualitätsjournalismus ist Glaubwürdigkeit jedoch wichtiger als Schnelligkeit und Sensation. Er sei ein wichtiges Korrektiv gegen Fake News. Ein weiteres Korrektiv sei die Meinungsbildung in der Masse: «Schwarmintelligenz ist das beste Mittel gegen Fake News oder Propaganda.» Zumindest in der Schweiz, weniger in den USA: «Die US-Gesellschaft ist so gespalten, dass man den Medien der Gegenseite nicht mehr glaubt. Man kann sich auf keinen Konsens bezüglich Wahrheit einigen.» Die Einmischung russischer Geheimdienste in diverse Wahlen weckten zudem Befürchtungen, dass sich westliche Demokratien durch Fake News destabilisieren liessen. Doch auch da plädierte er für Gelassenheit: Offene Gesellschaften seien widerstandsfähig.
Perspektive der Wissenschaft
Nach der Sicht der Medien folgte mit Prof. Mark Eisenegger, Universität Zürich, die Sicht auf die Medien. Statt «Fake News» sprach er von «Desinformation». Den in der Forschung gebräuchlicheren Begriff definierte er als aktuelle Kommunikation mit Wahrheitsanspruch, die aber (zumindest in Teilen) falsch ist und unwahrhaftig mit Täuschungsabsicht verbreitet wird. «Fake News» hingegen sei ein hochgradig politischer Begriff, um Gegner zu diffamieren. Medien, auch soziale, würden drei Funktionen erfüllen: Kontrolle, Integration und Forum. «Wenn Desinformation überhandnimmt, leiden alle drei und damit die Demokratie.» Ist dies bereits der Fall? Soziale Medien seien hochgradig emotional und zielten auf impulsive Reaktionen, die sich in Klicks (und Werbegelder) umsetzten lassen. Desinformation irritiere häufig und wecke Neugier, was dies begünstige. Zudem gelte: Je tiefer die Medienkompetenz und je stärker die Zugehörigkeit zu oppositionellen Milieus, desto grösser die Bereitschaft, Fake News zu verbreiten. Insgesamt müsse man die Befunde aber mit Vorsicht geniessen, da die Forschung zu stark auf Twitter abstütze, wo man relativ einfach an Daten komme. WhatsApp beispielsweise sei kaum erforscht. «Ich wage aber die These, dass das Problem grösser ist, als es aktuelle Studien postulieren.» Als Therapie müsse der professionelle Informationsjournalismus erhalten und die Medienkompetenz gestärkt werden.
Prof. Manfred Max Bergman, Universität Basel, nährte sich mit sozialwissenschaftlicher Brille dem Thema. «Wir alle generieren und verbreiten Fake News», ist er überzeugt. Er präsentierte eine Typologie, die von Ablenkung, Auslassung und einseitiger Darstellung über Unter- und Übertreibungen sowie akademischen Ästhetisierungen oder Überinformation bis hin zu Bildmanipulationen und betrügerischen Inhalten reicht. Weiter stellte er eine Reihe Faktoren vor, welche Objektivität einschränken, etwa Perspektivismus, kultureller Relativismus, Konstruktivismus oder kognitive Dissonanz. Als Motor für die Schaffung und Verbreitung von Fake News nannte er politische Faktoren wie der permanente Wahlkampf, wirtschaftliche Faktoren wie zunehmende Mobilität und Marktverschiebungen sowie gesellschaftliche Tendenzen wie Abstiegs- und Konkurrenzangst. Um dagegen anzukämpfen, sei in Qualitätsmedien und Wissenschaft zu investieren, jedoch verknüpft mit klaren Forderungen an diese.
Kurze, aber engagierte Diskussionsrunde vor der Mittagspause.
«Können wir uns Qualitätsjournalismus noch leisten?» war eine zentrale Frage in der Diskussion vor der Mittagspause. Da der Grossteil der Online-Werbegelder an Firmen wie Google oder Facebook gehe und die Zahlungsbereitschaft abnehme, plädierte Mark Eisenegger für eine direkte Medienförderung: «Wir müssen mutiger werden, weil sich ein Marktversagen abzeichnet.» Wie es am Nachmittag weiterging, erfahren Sie hier.
Auskunft:
Adrian Sulzer, Leiter Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 27, adrian.sulzer(at)satw.ch
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