Öffentliche Konferenz «Fighting Fake Facts»: Der Nachmittag
Am 4. Februar fand in Basel die Konferenz «Fighting Fake Facts» statt. Expertinnen und Experten aus mehreren Disziplinen schilderten ihre Sicht auf Fake News und nannten Vorschläge, wie diesen beizukommen sei. Klar ist: Die Situation hierzulande ist weniger prekär als beispielsweise in den USA. Hier die Zusammenfassung des Nachmittags.
Nach einem intensiven Morgen begrüsste SATW-Generalsekretär Rolf Hügli, Chair des Nachmittags. Zunächst sprach Igor Susmelj von Mirage, einem Start-up für Bildbearbeitung mit Künstlicher Intelligenz (KI). Er zeigte anhand so genannter «Deepfakes», wie einfach Filmaufnahmen zu manipulieren sind. «Was früher nur in Hollywood ging, ist heute auf fast jedem Rechner möglich.» Nvidia habe zudem kürzlich einen Algorithmus für künstliche neuronale Netze vorgestellt, um komplett neue Gesichter zu kreieren. Um Deepfakes zu entlarven, bietet Mirage eine kostenlose Online-Anwendung an.
Lügen gefährdet die Demokratie
Alain Gloor, Projektleiter im Stapferhaus, stellte die Ausstellung «FAKE. Die ganze Wahrheit» vor und präsentierte Resultate einer Umfrage mit fast 10'000 Personen: Laut 83 Prozent der Befragten sind Fake News eine Gefährdung für die Demokratie. Auch in der Ausstellung selbst werden Daten dazu gesammelt: So kann man z.B. echte Lügen auf einer Skala von «nötig» bis «tödlich» einordnen. Ein spannender Stimmungsbarometer mit bereits über 60'000 Meinungen. Stephan Feldhaus, Head Group Communications von Roche, sprach als gelernter Ethiker über die zerstörerische Kraft der Lüge. Neben einer ethischen Tradition, die Lüge grundsätzlich verdammt, gebe es auch eine konsequentialistische, wonach Taten durch die Gesinnung des Handelnden und ihre Folgen bestimmt sind. Ganz nach Voltaire: «Lügen ist ein Laster, wenn man damit Schaden anrichtet, aber eine Tugend, wenn man damit nutzt.» Er warnte aber vor einer Verharmlosung, den Lügen würden «zersetzende Wirkung» entfalten, etwa im politischen Kontext. Dort sei die Güterabwägung zentral. Um aber abwägen zu können, brauche es die vorhandenen Kenntnis- und Wissensbestände. Würden diese aus Lügen bestehen, sei eine vernünftige Güterabwägung unmöglich und der politische Deliberationsprozess gefährdet.
Machine Learning vs. Fake News
Auch SATW-Experte Karl Aberer, Professor an der EPFL, unterstrich die Bedeutung der Qualitätsmedien, zeigte aber deren schwierige ökonomische Situation auf. KI könne helfen, Journalisten bei der Recherche zu unterstützen und z.B. Bildarchive effizienter zu nutzen, und so ihnen wieder mehr Zeit für echte journalistische Arbeit geben. Zudem könne KI ein urmenschliches Problem entschärfen, den Selection Bias. Dieser entstehe aber nicht nur an der Quelle, sondern auch durch Algorithmen von Plattformen, z.B. Facebook, und die Leser selbst. Deshalb basieren Meinungen auf selektiver Wahrnehmung. Auch die Wissenschaft leide bisweilen unter Fake News, wie das Beispiel «Chocolate Diet» gezeigt habe. Was ist dagegen zu tun? Generelle wie auch spezialisierte Fact-Checking-Dienste seien wichtig. «Doch das meiste wird von Hand gemacht und skaliert schlecht.» Deshalb beschäftigt er sich seit 2013 mit automatisierten Verfahren: «Können wir einen Algorithmus bauen, der uns sagt, ob etwas echt ist oder nicht?» Dass dies nicht einfach sei, zeige schon die schwierige Definition von «echt».
Wer ist in der Pflicht?
Tobias Bossard, SRF, moderierte die Schlussrunde: Er bezeichnete den Presserat als «Wahrheits-Behörde», was deren Vizepräsident Max Trossman nicht guthiess. Überprüft werde nicht die Wahrheit an sich, sondern ob die Pflicht zur Suche danach eingehalten wurde. «Ich sehe den Presserat nicht als Instanz, die Fake News bekämpfen soll.» In einer Instant-Umfrage unterstützte das Publikum diese Haltung und fand, insbesondere Medien, Staat und Wissenschaft müssten das tun. Für Stephan Feldhaus ist dies zu einfach: Jeder sei selbst in der Pflicht. Laut Mark Eisenegger bedroht Desinformation die Demokratie, weshalb es zum «Staatsschutz» gehöre, dagegen zu kämpfen. «Plattformen wie Facebook haben sich bisher nur bewegt, wenn sie massiv öffentlich skandalisiert wurden! Es braucht einen Digitalrat, der sich mit solchen Fragen beschäftigt.» Max Trossmann plädierte ebenfalls dafür, Plattformen in die Pflicht zu nehmen: «Die müssen endlich, endlich ihre Verantwortung wahrnehmen.» Jedes Medium sei für seine Inhalte verantwortlich. Tobias Bossard erwähnte ein neues Gesetz gegen Fake News: In Frankreich können Gerichte Plattformen anweisen, Inhalte zu löschen. Max Bergmann gab zu bedenken, dass keine Institution das Problem alleine lösen kann. Es braucht ein Zusammenspiel aller. Auch Mark Eisenegger sieht alle gefordert: «Wir haben viel zu wenig in die Medienkompetenz investiert.» Es gelte, Bürgerinnen und Bürger stärker für Medienqualität zu sensibilisieren.
Prof. Ulrich W. Suter, Präsident des Wissenschaftlichen Beirats der SATW, stellte im Schlusswort den engen Bezug zur Wissenschaft wieder her und warnte von grossen Schäden, die durch absichtliche Fehler oder Fälschungen entstehen können. Leistungs- und Erfolgsdruck seien mögliche Gründe, aber auch fixe Vorstellungen über die Forschungsfrage. Wenn der Schwindel auffliege, leiden nicht nur die Schuldigen, sondern auch deren Institution sowie andere Forscher, die auf den Resultaten aufbauen. Und je interessanter die Erkenntnis oder je bekannter der Fälscher, desto schneller passiere das. Ob es diese Konferenz braucht, wollte Peter Seitz zu Beginn wissen. «Ja» finden die Verantwortlichen. Eine Fortsetzung findet voraussichtlich im Juni 2020 statt.
Auskunft:
Adrian Sulzer, Leiter Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 27, adrian.sulzer(at)satw.ch
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