14. Februar 2020

Workshop zu hochautomatisierten Fahrzeugen

Stefan Scheidegger - Früherkennung

Mobilitätsexpertinnen und -experten diskutierten Ende Januar 2020 die Frage, wie hochautomatisierte Fahrzeuge dereinst das Verkehrssystem verändern werden. Wolfgang Kröger, Leiter der SATW-Themenplattform «autonome Mobilität», führte durch den Workshop, der an der ETH Zürich stattfand.

Im Unterschied zu heute erhältlichen Autos sind «hochautomatisierte Fahrzeuge» – entsprechend der SAE Stufe 4 – unter bestimmten Bedingungen in der Lage, einzelne Fahraufgaben vollständig zu übernehmen. Kommt das System an seine Grenzen, muss der Mensch wieder selbst lenken. Bei Stufe 5 – den «vollautomatisierten Fahrzeugen» – ist das auch nicht mehr nötig. Diese können alle Fahraufgaben unter allen Umständen völlig selbstständig absolvieren. Das wird weitreichende Folgen haben, nicht nur für die Fahrzeugindustrie, sondern auch für die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt. Deshalb führte die SATW einen Workshop zum Thema «hochautomatisierte Fahrzeuge: Umfassende Beurteilung und Integration in innovative Verkehrskonzepte» durch, in dem die Teilnehmenden die brennenden Fragen diskutierten.

Neue Verkehrskonzepte, neue Geschäftsmodelle

Es ist davon auszugehen, dass die Digitalisierung den Verkehr ähnlich stark verändern wird wie damals das Aufkommen des Autos. Dabei sind die selbstfahrenden Autos nur die eine Treiberin, die andere die umfassende Anpassung der Verkehrskonzepte. In den Städten hat – gemäss einer Studie von acatech – die Mobilität 4.0 das Potenzial, den Verkehr zu reduzieren, während sie auf dem Land neue Strecken erschliessen kann.
Da Innenstädte nicht für Autos gebaut wurden und die Verkehrslage dort sehr komplex ist, werden sich an der Peripherie «autoaffine» Lagen entwickeln. Auch dies wird das Verhältnis von Zentrum und Peripherie stark beeinflussen.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass das allmähliche Aufkommen autonomer Fahrzeuge im normalen Strassenverkehr unwahrscheinlich ist. Viel realistischer ist, dass selbstfahrende Fahrzeuge in eigens dafür zur Verfügung gestellten Räumen eingeführt werden.

Hin zu «Mobility as a Service»

Die sich abzeichnenden Veränderungen im Verkehrssystem sind nicht nur für Automobilhersteller eine Herausforderung, sondern auch für andere Mobilitätsdienstleister auf der Strasse und auf der Schiene. Wie kann die Transformation zur Mobilität 4.0 gelingen? Wie «Mobility as a Service» in etablierte Geschäftsmodelle integriert werden? Wie können Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Verkehrsmitteln geschaffen werden?

Auch wenn die Vision automatisierter Fahrzeuge und moderner Mobilitätskonzepte nicht von heute auf morgen realisierbar ist, versprechen diese gemäss einer Studie von Ecoplan einen Nutzen von mehreren Milliarden Franken pro Jahr zu generieren. Die ökologisch wie ökonomisch effiziente Nutzung neuer, visionärer Verkehrskonzepte erfordert, dass verschiedene Mobilitätsangebote stärker ineinander integriert werden. Unter den Teilnehmenden bestand Konsens, dass es deshalb eine nationale Plattform braucht, die mobilitätsnahen Betrieben erlaubt, Daten untereinander zu tauschen.

Uneinig waren sich die Diskutierenden dagegen in der Frage, wie stark der Staat die aktuelle Transformation regulieren sollte. Während die einen mehr Staat fordern und argumentieren, dass eine marktgetriebene Entwicklung zu einer individualistischen und wenig umweltfreundlichen Prägung des Verkehrs führt, sehen andere just darin die Bedingung für ein effizientes, nachhaltiges Verkehrssystem. Eine von TA SWISS publizierte Studie zum Thema lädt ein, sich mit den verschiedenen Szenarien zu beschäftigen.

Ethische Aspekte autonomer Mobilität

Ob selbstfahrende Autos dereinst zugelassen werden, hängt nicht nur von technischen, konzeptionellen und ökonomischen Aspekten ab, sondern auch von der Akzeptanz in der Gesellschaft. Häufig wird das Trolley-Dilemma diskutiert: Es formuliert eine Situation, in der ein Gefährt in jedem Fall einen Unfall verursachen wird. Wenn es nichts tut, überfährt es zum Beispiel eine ältere Frau, versucht es zu reagieren, tötet es eine Gruppe von Jugendlichen. Das Dilemma kann nicht gelöst werden und verhindert deshalb die Diskussion über den wirklichen Nutzen von selbstfahrenden Autos für die Gesellschaft, nämlich ob insgesamt weniger Menschen im Strassenverkehr sterben werden. Wenn dies gezeigt werden könnte, wäre zumindest eine Voraussetzung für die Akzeptanz der Gesellschaft erreicht.

Auskunft
Stefan Scheidegger, Projektleiter Früherkennung, Tel. +41 44 226 40 23, stefan.scheidegger(at)satw.ch

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