24. August 2018

Wie innovativ ist die Schweiz wirklich?

Beatrice Huber - Früherkennung

Am 21. August 2018 wurde die Studie «Innovationskraft der Schweizer Industrie 1997–2014: Neu bewertet» offiziell lanciert. Ab 18:00 Uhr präsentierten die drei Autoren an einer Vernissage für SATW-Mitglieder die Resultate der Studie im Detail und stellten sich kritischen Fragen.

Rund 35 SATW-Mitglieder und weitere Zugewandte waren am 21. August in der Brasserie Lipp in Zürich dabei, als die Studie «Innovationskraft der Schweizer Industrie 1997–2014: Neu bewertet» vorgestellt wurde. SATW-Präsident Willy Gehrer begrüsste die Anwesenden und führt ein in die Beweggründe dieser Studie: «Wir wollten es genauer wissen, wie gut es um die Innovationskraft der Schweizer Industrie steht.» Aus der Politik höre man immer, dass die Industrie selbst verantwortlich ist, dass sie erfolgreich ist. Die Schweiz mache keine Industriepolitik. Doch das müsse nicht so sein. In umliegenden Ländern und vielen weiteren unterstützt der Staat Forschungsaktivitäten von Unternehmen. Damit gab Willy Gehrer das Wort weiter an Peter Seitz, der zusammen mit Rita Hofmann, Hans Peter Herzig und Claudia Schärer die Studie verfasst hatte.

Bestehende Rankings bieten Verwirrung

Bei einigen Rankings zur Innovation wie dem Innovationsindikator der Acatech oder dem Global Competitiveness Report des WEF steht die Schweiz schon seit Jahren weit oben, meist ganz oben. Ist die Schweiz also wirklich Innovationsweltmeister? Das sehen andere Rankings anders. Der Swiss Engineering Index spricht beispielsweise von einer fortschreitenden Deindustrialisierung. Es arbeiten immer weniger Personen in der Industrie. «Ja, was denn jetzt?», fragte Peter Seitz, «wie innovativ ist die Schweiz wirklich? Diese Frage wollten wir mit unserer Studie beantworten.» Dazu rief er wieder mal in Erinnerung, was Innovation eigentlich ist. Nämlich, wenn drei Prozesse erfolgreich abgeschlossen sind: 1. Eine Erfindung wird gemacht. 2. Daraus muss ein Produkt bzw. eine Dienstleistung entwickelt werden, wofür 3. Kunden bereit sind, etwas zu bezahlen, weil das Produkt oder die Dienstleistung für sie entsprechenden Wert aufweist.

Fokus auf produzierende Industrie

Die SATW hat sich in ihrer Studie auf die produzierende Industrie konzentriert, weil diese eine grosse Wertschöpfung erzielt, (noch) viele Beschäftigte hat und für die Exportindustrie sehr bedeutend ist. Und es ist der Bereich der Wirtschaft, zum dem die SATW als Akademie der technischen Wissenschaften auch etwas sagen kann.

Basis für die Studie bildeten die Befragungen der KOF, die früher alle drei Jahre und nun alle zwei Jahre durchgeführt werden. Es handelt sich um Selbstdeklarationen der Firmen, doch die Zahlen gelten als sehr zuverlässig. Sie werden auch vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO genutzt. Die SATW hat aber andere Fragen gestellt und Interpretationen gemacht. «Die Zahlen sind unumstösslich», so Peter Seitz an der Vernissage, «Unsere Interpretation vielleicht nicht. Wir sind gespannt auf die Diskussion.»

Immer weniger Firmen machen F&E

Der Anteil der Firmen, die in der Schweiz noch F&E machen, wird immer kleiner. Das war die erste wichtige Einsicht, die Peter Seitz präsentierte, gefolgt gleich von einer Überraschung: Die Firmen, die noch F&E machen, geben immer mehr dafür aus. Die Last der Forschung und Entwicklung liege auf immer weniger Schultern und werde dort immer grösser. Weitere wichtige Einsichten sind, dass zwar der Umsatz mit neuen Produkten steige, aber nicht mit Marktneuheiten. «Das besorgt uns.»

Für den genaueren Blick zu den Resultaten in einzelnen Industrieklassen übernahm Rita Hofmann und präsentierte gleich eine weitere wichtige Erkenntnis: Es sind viele Unternehmen verschwunden. «Wenn man ins Detail schaut, dann können viele Firmen nicht mehr mithalten.» Firmenneuheiten sind eigentlich kein Problem, aber mit Marktneuheiten haben viele Mühe. «Es gibt leider Industrieklassen, die zwar mehr investieren, aber immer weniger Marktneuheiten erzielen können.»

Zum Abschluss und vor den Schlussfolgerungen und der Fragerunde wagte Hans Peter Herzig noch einen Blick ins Ausland. Bei Vergleichsindices sei es eben so eine Sache: Je nachdem wie man schaut, kommt ein anderes Resultat raus. Deshalb hat die KOF im Auftrag der SATW auch einen neuen Index mit öffentlich zugänglichen Zahlen – insgesamt 16 Parameter – erstellt. Hans Peter Herzig präsentierte den Vergleich mit dem Klassenbesten, nämlich Singapur. Natürlich schneide die Schweiz beim Stundenlohn schlecht ab, aber auch bei anderen Parametern. Und dort könne man sich sehr wohl verbessern. Er nannte die Anzahl Vollzeit-Äquivalent-Stellen in F&E pro Million Einwohner oder die staatlichen Bildungsausgaben oder die durchschnittlich benötigte Zeit, um Verträge rechtlich durchsetzen zu können.

Schneller als die Konkurrenz sein

Vor dem Apéro folgte noch die Fragerunde, moderiert durch Peter Seitz. In der ersten Frage ging es darum, ob denn zur vollständigen Definition der Innovation nicht auch noch eine zeitliche Komponente nötig sei. Dem stimmten die Autoren zu: «Man muss es einfach schneller machen als die Konkurrenz. Zeit ist wichtig für die Industrie.» Dann wurde auch gefragt, was der Stundenlohn der Arbeiter mit Innovation zu tun habe. In der Antwort wurde auf den dritten Prozess der Innovation hingewiesen: Das Produkt muss gekauft werden. In einer kurzen Diskussion ging es noch um die Zuverlässigkeit der KOF-Daten. Der anwesende KOF-Vertreter erklärte, wie diese erhoben werden und wie sie sicher gehen können, dass die Zahlen auch glaubwürdig sind.

Beim Apéro wurde weiter intensiv über den Report diskutiert. Dabei wurde klar: Die SATW bleibt dran.

Zur Studie

Auskunft

Beatrice Huber, Communications Manager, Tel. +41 44 226 50 17, beatrice.huber(at)satw.ch

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