Tage der Technik 2021 zu Food Engineering
Mit Technik die Welt ernähren – so lautete der Titel der Hauptveranstaltung der Tage der Technik 2021. In Vorträgen und einer Panel-Diskussion wurde darüber gesprochen, wie sich die Weltbevölkerung heute und in Zukunft ausreichend und gesund ernähren kann und welche Herausforderungen bei der Entwicklung lebensmitteltechnischer Prozesse sowie bei der Verarbeitung und Verteilung von Lebensmitteln bestehen.
In der Schweiz sind führende Getränke- und Lebensmittelproduzenten domiziliert. Damit ist die hiesige Lebensmittelindustrie nicht nur für die Versorgung der Schweizer Bevölkerung wichtig, sondern auch für den Wirtschaftsstandort insgesamt. Investitionen von Schweizer Unternehmen in Start-ups und innovative Geschäftsmodelle nehmen entlang der gesamten Food-Wertschöpfungskette stark zu, von der Produktion bis hin zum Vertrieb. Dabei wird das Wohl von Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Umwelt massgeblich berücksichtigt.
Die Begrüssung durch die Organisatoren in Person von Tanja Zimmermann, Mitglied der Direktion Empa, Roland Büchi, Zentralvorstandsmitglied Swiss Engineering STV, und Esther Koller, Generalsekretärin ad interim SATW, stand diesmal im Zeichen einer grossen Freude. Es war sehr schön, dass die Tage der Technik wieder vor Ort mit Publikum stattfinden konnten. Noch musste die Anzahl Teilnehmende eingeschränkt werden, aber die Empa-Akademie war gut besetzt und die Anwesenden interessiert. Nach der Begrüssung übernahm die Moderatorin des Nachmittags, Sonja Hasler, und führte sogleich ins Problem ein: Wie ernähren wir die 10 Milliarden Menschen innerhalb der Ressourcen des Planeten?
Es muss sich also einiges ändern und die Stimmungslage – so Erich Windhab – ist aktuell günstig, um etwas zu verändern. Das läge an der sogenannten Flexitarierbewegung. Immer mehr Menschen würden sich dazu entschliessen, Fleisch nur noch ab und zu zu essen, und suchen deshalb nach Alternativen. Pflanzen-basierte Lebensmittel sind denn auch einer der Megatrends. Der Technologiestandort Schweiz sollte die Bewegung unterstützen und in Pflanzen-basierte Lebensmittel investieren.
Erich Windhab plädierte dafür, die ganze Wertschöpfungskette anschauen – vom Anbau über die Verarbeitung und Verteilung zum Konsum und weiter zur Gesundheit und auch zum Abfall. Es gehe also nicht nur darum, den Fluss der Lebensmittel anzuschauen, sondern auch Abfallströme, Verpackungsströme sowie der Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt. Als Beispiel in der Verarbeitung nannte er das Mahlen von Weizen. Klassischerweise gehen beim Mahlen sehr viele Moleküle kaputt, weil das Korn sehr trocken gemahlen werden muss. Diese Moleküle sind aber entscheidend für das Backvolumen. Mit neuen Techniken, die auch an der ETH entwickelt werden, kann feuchter und damit schonender gemahlen werden. So werden weniger Moleküle beschädigt und Backwaren mit mehr Volumen werden möglich.
Gleich zu Beginn vermittelte Beatrice Conde-Petit allerdings, wie dramatisch die Lage ist. 25 Prozent der Treibhausgase und 70 Prozent des Wasserverbrauchs stammen aus Landwirtschaft, ein Drittel der Energie wird weltweit für die Produktion von Nahrung eingesetzt und ein Drittel der Nahrung geht verloren. Zudem nutzt die Menschheit mehr Ackerfläche für den Anbau von Futtermittel als für Nahrung für Menschen. In Zukunft müssen wir mehr Nahrung produzieren mit weniger Land. Deshalb muss das Land, das für Futtermittel genutzt wird, unter Druck kommen. Zentral ist die Sicherung der Proteinversorgung innerhalb der Grenzen unseres Planeten. Pflanzen-basierte Lebensmittel haben hier klare Vorteile. Zumal sie auch einen deutlich tieferen CO2-Fussabdruck haben als tierische Produkte.
Als Problem bei der Lebensmittelproduktion, das sich mit dem Klimawandel noch verschärfen wird, nannte Beatrice Conde-Petit Schimmelpilze. Vor allem in Afrika besteht ein grosses Problem mit Schimmelpilzen in Mais. Die sogenannten Aflatoxine können Leberkrebs verursachen und die Entwicklung der Kinder stören. Es geht also um Prävention und Reduktion der Kontamination mit diesen Schimmelpilzgiften entlang der Wertschöpfungskette. Bei Anbau und Ernte des Rohprodukts, also der Körner, steht Prävention von Schimmelpilz im Vordergrund. Das Korn muss gereinigt und getrocknet werden. In der Mühle ist eine gute Sortierung wichtig.
Thijs Defraeye erklärte, was ein digitaler Zwilling genau ist und wie wir als Konsumentinnen und Konsumenten davon profitieren können. Als Beispiel nannte Thijs Defraeye die Lieferkette von Frischobst, im Detail den digitalen Zwilling einer Zitrone. Sensoren können sehr viele Daten erfassen und so können die Früchte über die gesamte Versorgungskette beobachtet werden. Mit diesen Daten wird der digitale Zwilling beispielsweise eben der Zitrone zum Leben erweckt. Durch all diese Daten kann viel besser ermittelt werden, was den eigentlich die geeigneten Transportbedingungen sind. Thijs Defraeye sprach denn auch von der Komfortzone der Zitrone. Im Endeffekt geht es darum, dass wir, wenn wir weniger Lebensmittel wegwerfen, auch weniger produzieren müssen.
Als erstes erwähnte Otmar Hofer, dass das Thema der Veranstaltung sehr passend gewählt sei, denn genau am gleichen Tag – also am 23. September 2021 – fand in New York auch der Food System Summit statt. Seine Firma arbeitet in Afrika und verarbeitet am Ursprung, genauer in Fabriken in Ghana, Kenia und in der Elfenbeinküste, tropische Früchte und generiert im Export damit zusätzliches Einkommen für all die Kleinbauern und die Mitarbeitenden der Fabriken. Lebensmitteltechnologie ermöglicht also vermehrt Wertschöpfung im Ursprungsland.
Mit wachsenden Produktionsmengen sei auch der Anfall an werthaltigen Nebenprodukten gestiegen. So werden mit zusätzlichen Technologien vermehrt natürliche, gesunde Fruchtsnacks hergestellt. Das Betreiben höherwertiger Technologien stärkt den Ausbildungsstand im Betrieb und Unterhalt. Die Zusammenarbeit mit Schweizer Instituten ermöglicht einen raschen Technologietransfer in den Süden. Aus nachvollziehbaren Gründen spielt die nachhaltige Energieproduktion auch in den Tropen eine Rolle. Für die Trocknung der Früchte wird Heisswasser von 85 °C benötigt. Sie nutzen dazu Biomasse und teilweise Photovoltaik.
Eigentlich gibt es genug zu essen, doch zu viel geht verloren. Mit dieser zusammenfassenden Bemerkung eröffnete Sonja Hasler die Panel-Diskussion. Beatrice Conde-Petit wies darauf, dass im globalen Süden die Probleme vor allem am Beginn der Wertschöpfungskette seien, im Norden eher am Ende. Es brauche also verschiedene Lösungen.
Die Frage war dann auch noch, warum wir die Gelberbsen nicht direkt essen. Erich Windhab wies darauf hin, dass dies nicht gemacht würde, wenn es keinen Business Case gebe. Die Produkte aus Gelberbsen seien so ein Business Case und die Flexitarier die Treiber. Konsumentinnen und Konsumenten wollen sich nicht bevormunden lassen, da waren sich alle Podiumsteilnehmende einig. Und das gelte, so Otmar Hofer, natürlich auch für Afrika. Essen ist sehr stark kulturell verankert. Das kann dann dazu führen, dass die Elfenbeinküste zwar eine Hauptproduzentin von Cashew-Nüssen ist, diese im Land selbst aber nicht gegessen werden. Der Umweg über neue Produkte kann deshalb attraktiv sein. Beatrice Conde-Petit wies darauf hin, dass auch neue Futtermittel gefragt seien. So können nicht-essbare Nebenströme der Lebensmittelproduktion, also für uns «Abfälle», Insekten verfüttert werden, die dann als Ersatz für Fischmehl in der Fischzucht dienen.
Nach der Panel-Diskussion und vor dem Apéro, bei dem natürlich die Gelberbsenprodukte getestet werden konnten, fasste Roland Büchi den Nachmittag kurz zusammen und sammelte die wichtigsten Schlagworte und Erkenntnisse. Zusammenarbeit werde immer wichtiger und es gehe stark um Sicherheit und Qualität. In vielen der Ausführungen sei es um einen Drittel gegangen, z.B. um den Drittel an Lebensmitteln, die verloren geht. Dann nahm Roland Büchi noch die Flexitarier-Bewegung mit und – was ihn besonders freute –, dass Technik cool sei.
Innovative Projekte gesucht
Die Initiative Food 4.0 der Akademien der Wissenschaften Schweiz soll die Zukunft des Ernährungssystems Schweiz nachhaltig sicherzustellen. Dies durch innovative Entwicklungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Primärproduktion bis zum Gesundheitssystem. Noch bis zum 31. Oktober können Gesuche für innovative und wirkungsvolle Projekte eingereicht werden.
Kontakt
Beatrice Huber, Leiterin Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 17, beatrice.huber(at)satw.ch
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