Konsens bezüglich SATW-Strategie und spannende Themenvorschläge
Anlässlich der Journées de Réflexion diskutieren Vorstand, Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats, Leiterinnen und Leiter von Themenplattformen sowie weitere Mitglieder und Mitarbeitende der SATW strategische und thematische Fragen. Heuer am 30. und 31. Oktober in Brunnen.
Die diesjährigen Journées de Réflexion (JdR) im Hotel Waldstätterhof starteten am Mittwoch in lockerem Rahmen. Für geistige Nahrung beim Dinner sorgte Dr. Costas Bekas von IBM Research – Zurich. Er rollte die Geschichte der Künstlichen Intelligenz (KI) auf und zog überraschende Vergleiche zur griechischen Mythologie. Er erklärte, wie sich die «Narrow AI» zur «Broad AI» entwickelt hat und skizzierte Potenziale einer «General AI», mit der er ab 2050 rechnet. Zwar sei KI den jeweils besten Fachleuten nicht überlegen – den übrigen 99 Prozent aber schon. Am Beispiel von IBM RXN zeigte er auf, was heute möglich ist. Er sieht KI als Lösung für den «Data Overload» in der Wissenschaft und skizzierte, wie ein Forschungsprozess mit KI-Unterstützung künftig ablaufen könnte.
Die «Arbeitsakademie» acatech
Am Donnerstag hiess SATW-Präsident Willy R. Gehrer die rund 30 Anwesenden willkommen. Er präsentierte das Tagesprogramm und begrüsste Prof. Dieter Spath, Präsident acatech, der die deutsche Schwesterakademie vorstellte. Ihr Ziel ist es, nachhaltiges, qualitatives Wachstum durch Innovation zu schaffen. Dafür bringt man Fachleute zusammen, erarbeiten Empfehlungen und diskutiert sie mit Entscheidungsträgern. Man organisiert nationale Plattformen zu Themen wie «Mobilität» und trifft sich zum «Innovationsdialog» mehrmals jährlich mit der Kanzlerin. Zudem treffen sich die Leitungen der drei unabhängigen deutschen Akademien, acatech, Leopoldina und Union, zur Lancierung von gemeinsamen Projekten. Man informiert über aktuelle Themen und lanciert «Weckrufe»: «Als Wissenschaftler erkennen wir Veränderungen bisweilen früher als Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.» Besonders erfolgreich war der Weckruf «Industrie 4.0».
Zu den 540 Mitglieder der «Arbeitsakademie» zählen nebst Technikern auch andere Fachleute mit hoher technischer Affinität. Der Senat mit Unternehmensvertretern, die in Themennetzwerken und Projekten mitwirken, stellt die Nähe zur Industrie sicher. «Innovation erreicht man nur zusammen mit der Wirtschaft.» Voraussetzung für den Erfolg sei zudem eine professionelle, schlagkräftige Geschäftsstelle mit 120 Mitarbeitenden. Nebst institutioneller Finanzierung erhält die acatech Spenden aus der Wirtschaft, was die Unabhängigkeit aber nicht gefährde: «Ich habe nie erlebt, dass Unternehmen auf unanständige Weise Einfluss nehmen wollten.»
Diskussion der strategischen Fragen
Dr. Fabienne Marquis Weible eröffnete den strategischen Teil mit dem Titel: Technologie und die Herausforderungen unserer Gesellschaft. Sie plädierte für einen stärkeren Themenfokus, wobei man sich an den Sustainable Development Goals (SDGs) orientieren könne. Präsident Willy R. Geher stimmte die Anwesenden dann auf die Gruppenarbeiten ein. Er zeigte aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im Verbund der Akademien auf. Darauf aufbauend skizzierte Generalsekretär Dr. Rolf Hügli Entwicklungsoptionen. Zunächst rekapitulierte er aber, welche Ziele der geltenden Strategie erreicht wurden und welche nicht. Trotz Defiziten bei der Zusammenarbeit mit der Industrie, war sein Fazit positiv: Die SATW hat sich professionalisiert, wird stärker wahrgenommen und kann Drittaufträge erfolgreich ausführen. Beim Workshop wurden strategische Fragen zur künftigen Ausrichtung in zwei Gruppen besprochen, die Erkenntnisse dann im Plenum präsentiert. Sie dienen dem Vorstand als Anregung für allfällige Anpassungen der Strategie. Die Anwesenden sprachen sich einstimmig für eine eigenständige SATW sowie eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Akademien und Disziplinen aus. Die gesellschaftlichen Herausforderungen erfordern interdisziplinäre Lösungsansätze, so der Konsens. Die Zusammenarbeit mit der Industrie sei zu verstärken, die Unabhängigkeit müsse aber gewahrt bleiben.
Prof. Peter Seitz präsentierte Vorschläge zur Gestaltung dieser Zusammenarbeit, basierend auf seiner Bedarfsanalyse bei Schweizer KMUs. So etwa die Gründung einer «Innovation Academy», ein Innovations-Coaching oder die Publikation branchenübergreifender Whitepapers (AI, Energie, Klima etc.). Darüber wurde angeregt diskutiert. Man war sich uneins, was zu den Aufgaben einer Akademie zählt und wo die SATW die höchste Glaubwürdigkeit besitzt. Zudem wurde die Konkurrenz zu etablierten Akteuren (Fachhochulen, Berater) angesprochen. Man müsse die spezifischen Stärken der SATW genau identifizieren und darauf aufbauen. Auch soll man verstärkt mit Verbänden wie der SIA zusammenarbeiten und auch mit Verbänden anderen Disziplinen, denen man komplementäre Kompetenzen anbieten könne. Willy R. Gehrer bat die Anwesenden, geeignete Verbände zu nennen und weitere Vorschläge für Massnahmen einzureichen.
Wie legt man ein KKW still?
Stefan Klute, Verantwortlich für Stilllegung und Entsorgung bei der BKW, eröffnete den Nachmittag. Er zeigte auf, wie das Kernkraftwerk Mühleberg stillgelegt wird. Spätestens am 20. Dezember 2019 beginnt der Prozess mit dem Ende des Leistungsbetriebs. Die BKW hat mit bis zu 300 Einsprachen gerechnet, de facto waren es nur acht. Ein Grund dafür sei die umfassende und transparente Kommunikation im Vorfeld gewesen. Auch NGOs wurden frühzeitig eingebunden. Weltweit gibt es bereits einige Stilllegungsprojekte und man profitiert von deren Erfahrungen. Finanziell sei das Projekt auf Kurs und die Schweiz sei hier beispielhaft transparent. Er zeigte die technischen Schritte des Rückbaus auf. So werden etwa die Kerneinbauten unter Wasser auf Fassgrösse zerlegt und verpackt. Bei der Demontage werden konventionelle und radioaktive Materialströme klar getrennt. Der radioaktive Abfall wird nach Würenlingen transportiert. Insgesamt rechnet man mit ca. 200'000 Tonnen Material, davon sind rund 7600 Tonnen unterschiedlich stark radioaktiv. Die BKW führt den Rückbau vornehmlich mit bestehenden Mitarbeitenden durch, was diesen grosse Veränderungsbereitschaft abverlangt. Die Technik ist erprobt, doch für BKW, Schweizer Politik und Verwaltung handelt es sich um eine Pionierleistung.
Potenzielle künftige Betätigungsfelder
Anschliessend wurden vier Themengebiete mit Potenzial für die SATW vorgestellt. Dr. Xaver Edelmann machte den Auftakt zum Thema «Nachhaltige Kreislaufwirtschaft». Der Global Resources Outlook 2019 zeige die massive Zunahme der globale Materialgewinnung seit 1970 auf und machte die Dringlichkeit des Themas deutlich. Das Wirtschaftswachstum müsse von Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung entkoppelt werden, wie es die SDGs vorsehen. 2014 hat die SATW bereits zum Thema publiziert und müsse das wieder tun. Er stellte Vision, Mission und Arbeitsgrundsätze der Themenplattform (TPF) «Nachhaltige Kreislaufwirtschaft» vor. Diese will einen wichtigen Beitrag zur Etablierung des Konzepts in der Schweiz leisten.
André Golliez stellte das Konzept «Swiss Data Space» vor, das aktuell unter Beteiligung der SATW und diverser Bundesbehörden weiterentwickelt wird. Datenplattformen wie Facebook bedrohen die «digitale Selbstbestimmung» der Schweiz. Als Gegenentwurf umfasst der Swiss Data Space alle (untereinander verknüpften) vertrauenswürdigen Schweizer Datenplattformen. Wichtig: User müssen mehr Kontrolle über ihre Daten haben. In diesem Zusammenhang seien «My Data» (z.B. Midata), «Open Data» (z.B. OpenData) und «Shared Data» (z.B. SPHN) zu unterscheiden. Die SATW könne helfen, ethische, konzeptionelle, organisatorische, rechtliche und technische Grundlagen zu schaffen, ein Netzwerk relevanter Akteure aufzubauen sowie Entwicklung, Betrieb und Vernetzung vertrauenswürdiger Ökosysteme zu fördern.
Prof. Patricia Deflorin, Leiterin der TPF Industrie 4.0, zeigte aktuelle Chancen und Herausforderungen in Bezug auf das Thema auf: Dies umfasse viel mehr als die «smarte Fabrik». Nicht nur die Produktion, die gesamte Wertschöpfungskette sei zu betrachten. Es gehe um eine Vielzahl Technologien verschiedener Disziplinen mit unterschiedlichen Reifegraden. Folglich seien nicht nur die Potenziale gross, sondern auch die Unsicherheiten. Zudem gehen viele Firmen das Thema mit der falschen Motivation an: Sie konzentrieren sich auf Produktivitätsgewinne, Innovationen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Hier sei Unterstützung nötig. Ein Feld, auf dem die SATW aktiv werden könnte?
Den Abschluss machte Dr. Hans-Peter Meyer, Leiter der TPF Biotechnologie. Er unterschied die fünf Arten der Biotechnologie mit ihren Märkten und Besonderheiten. Die Schweiz sei unterschiedlich gut positioniert. So sei man in der roten Biotechnologie führend und habe bei der weissen grosses Potenzial. Bei der grünen hingegen sei die Situation aufgrund des Gentech-Moratioriums hoffnungslos. Die SATW könne bei Themen wie biobasierte Wertschöpfungsketten, Rohmaterialverfügbarkeit oder Kreislaufwirtschaft ansetzen. 2015 hat die SATW die Publikation «Erneuerbare statt fossile Rohstoffe» veröffentlicht. Er plant eine Neuauflage, ggf. mit leicht anderem Fokus. Zudem wir unter dem Motto «Biotech beyond biopharma» ein Forum ins Leben gerufen.
Willy R. Gehrer zog ein positives Fazit und bedankte sich bei den Anwesenden für ihr Engagement und die rege Beteiligung. Er war zufrieden über den Konsens, der in Bezug auf die Strategie herrscht.
Auskunft
Adrian Sulzer, Leiter Kommunikation, Tel. +41 44 226 50 27, adrian.sulzer(at)satw.ch
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