05. November 2018

Journées de Réflexion 2018 in Yverdon-les-Bains

Früherkennung

Am 30. und 31. Oktober diskutierten SATW-Mitglieder in Yverdons-les-Bains über die für die Schweiz relevanten Technologien. Diese jährlichen Journées de Réflexion sind Teil des Früherkennungsprozesses der SATW.

Als das bedeutendste Expertennetzwerk für Technikwissenschaften in der Schweiz hat die SATW den Bundesauftrag, relevante technische Entwicklungen für die Schweiz zu antizipieren. Zuständig sind dafür in erster Linie der wissenschaftliche Beitrat (WBR) und die Themenplattformen. Einmal jährlich treffen sich Mitglieder dieser Gremien im Rahmen der Journées de Réflexion (JdR), um ihre Einschätzungen zu diskutieren. 2018 fand das Treffen im Grand Hôtel des Bains in Yverdons-les-Bains statt. Nach einer Begrüssung durch SATW-Präsident Willy R. Gehrer präsentierte SATW-Generalsekretär Rolf Hügli den rund 25 Anwesenden Ablauf und Zweck der JdR, die er als «Kaderkonferenz» der SATW bezeichnete.

Weiterentwicklung des Technology Outlooks

Ein Schwerpunkt waren die Neuerungen beim Technology Outlook 2019 (TO19). Der Inhalt richtet sich erstmals nach der Technologieliste des SBFI. Zudem hat das SBFI vorgeschlagen, neu auch quantitative Daten zu berücksichtigen. WBR-Präsident Ueli W. Suter präsentierte den aktuellen Entwurf des TO19 sowie die entsprechenden Änderungen im Detail und legte damit die Basis für die Gruppen-Workshops am Nachmittag. Es wurden nicht nur das technologische Potenzial, sondern auch die volkswirtschaftliche Bedeutung und die internationale Relevanz der Schweizer Forschung beurteilt. Dies basierend auf unterschiedlichen Parametern, u.a. Umsatz, Marktpotenzial, Anzahl Forschungsgruppen und h-Index. Die Parameter wurden für die Berechnungsmodelle gewichtet. Naturgemäss wurden diese Parameter unter den Expertinnen und Experten intensiv diskutiert. Dabei wurden wertvolle Inputs geäussert, die in den kommenden Monaten im Detail geprüft werden, um die Modelle zu verfeinern. Weitere wichtige Inputs lieferten die anwesenden Expertinnen und Experten nach dem Mittagessen. Dabei ging es um die Zielgruppen des TO19, den Zweck des Berichts und die Rolle der SATW. Man diskutierte eine Reihe interessanter Ansätze, die es sorgfältig zu prüfen gilt. Aufgabe in den Gruppenworkshops war es anschliessend, Empfehlungen für die Zielgruppen auszuarbeiten und zu formulieren. Zudem wurden sämtliche Technologien auf ihre Relevanz hin geprüft und besprochen, ob darunter potenzielle künftige Schwerpunkte für die SATW sind. Die Resultate der Workshops wurden am kommenden Morgen im Plenum vorgestellt und diskutiert.

Thematische Inputs zu Zukunftstechnologien

Zwei spannende Inputreferate bildeten den Abschluss der diesjährigen JdR: Dr. Andreas Fuhrer von IBM Research - Zurich stellte die aktuelle Forschung bzgl. Quantum Computing vor. Er beschrieb kurz die Funktionsweise von Quantencomputern und stellte verschiedene Plattformen vor. Unter dem Label IBM Q Experience betreibt IBM aktuell Quantenprozessoren mit 5 und 16 Qubits, die als Cloud Service öffentlich genutzt werden können (siehe auch Qiskit). Bisher haben knapp 100'000 User über sechs Millionen Experimente damit gemacht. Eine fortschrittlichere Version mit 20 Qubits ist hingegen kommerziellen Kunden vorbehalten. Aktuell arbeitet IBM an der Entwicklung eines Quantenprozessors mit 50 Qubits. Ultimatives Ziel ist aber der «Fault-tolerant Universal Quantum Computer». Das werde aber noch mehrere Dekaden dauern.

Die Quantum Computing Hardware erinnert heute an die frühen Zeiten des klassischen Computings, wie Andreas Fuhrer anhand von Bildern des Colossus Mark II veranschaulichte. Damals haben Computer Probleme erstmals schneller gelöst als der Mensch. Dies hat ihre Nützlichkeit bewiesen und eine rasante Entwicklung ausgelöst. Die aktuelle Situation für Quantum Computer ist ein bisschen ähnlich: Im Moment findet ein Wettrennen statt, wer das erste System baut, das gewisse Aufgaben schneller lösen kann als klassische Computer (Stichwort «Quantum Advantage»). Natürlich sei der Hype derzeit sehr gross. Dies sei aber wichtig, um die Mittel für die Weiterentwicklung der Technologie aufzubringen. Und die Gelder fliessen: So will alleine Deutschland 650 Millionen Euro in die Quanten-Forschung investieren und bei der EU ist es sogar eine Milliarde. In China werden aktuell gar zehn Milliarden in ein Forschungszentrum investiert, womit die staatliche Förderung im Reich der Mitte am stärksten ist. Weniger bekannt sind die Investitionen von Privatunternehmen, doch auch diese dürften erheblich sein. Dank einem entsprechenden nationalen Forschungsschwerpunkt (NCCR QSIT) hat die Schweiz bzgl. Forschung eine führende Stellung und die Chance, ein wichtiger Lieferant für Grundtechnologien von Quantensystemen zu werden. Bereits heuten nehmen einige Schweizer Firmen wie Zurich Instruments, Specs Zurich oder Huber & Suhner im Ökosystem rund um Quantencomputer eine zunehmend wichtige Rolle ein.

Im zweiten Referat brachte Prof. Greta Patzke, Universität Zürich (UZH), den Anwesenden die Künstliche Photosynthese näher. Die Endlichkeit der fossilen Rohstoffe und die Notwendigkeit, die globale Erwärmung zu begrenzen, sprechen für deren intensive Erforschung. Die Sonne wird auch künftig die zuverlässigste und ergiebigste Energiequelle bleiben, also gilt es, ihre Energie optimal zu nutzen. Sie stellte verschiedene chemische Strategien zur «klassischen» grossen Herausforderung vor, der katalytischen Spaltung von Wasser mit Sonnenlicht in Wasserstoff und Sauerstoff. Ihre Arbeiten dazu sind im Forschungsschwerpunkt der UZH «Von Sonnenlicht zu chemischer Energie» (LightChEC) eingebunden. Das theoretische Verständnis der zugrundeliegenden Reaktionsmechanismen sei komplex und erfordere hohe Rechenleistungen, weshalb auch sie sich mehr Computerpower wünscht, wie sie mit Blick in Richtung ihres Vorredners sagte.

Greta Patzke legte die Notwendigkeit dar, mehr photokatalytische Reaktor-Prototypen zur kommerziellen Energiegewinnung zu konstruieren. Ein grosses Portfolio an Materialen dazu ist vorhanden: z.B. seien Quantenpunkte aus Phosphiden und Sulfiden exzellente Photoabsorber, und es gäbe viele leistungsfähige Katalysatoren auf Oxidbasis. Sie stellte verschiedene Materialtypen und mögliche technische Setups vor. Sie ist überzeugt, dass ihre Forschung stark zu Verbesserung der angewandten Photosynthese beitragen kann. Die Schweiz hat zwar weder genug Sonneneinstrahlung noch Platz, um ein grosser Produktanbieter dieser Technologien zu werden, aber sie kann eine neue Infrastruktur entwickeln und weltweit verkaufen. «Wir haben viele Kompetenzzentren wie das PSI und exzellente Ingenieure für die technische Umsetzung.» Sie betonte daher die Wichtigkeit, dass Chemiker und Ingenieure eng zusammenarbeiten, damit aus der Grundlagenforschung bald industrielle Anwendungen werden. Ein Beispiel sei die Zusammenarbeit ihres Teams mit der Forschungsgruppe von Prof. Aldo Steinfeld an der ETH Zürich auf dem Gebiet der solarthermischen Gewinnung von Synthesegas. Zum Abschluss wies sie auf ein grundlegendes Problem bzgl. Kommerzialisierung hin: «Ich sehe allerdings keinen Weg, wie unsere Technologie in naher Zukunft ökonomisch mit fossilen Energieträgern direkt konkurrenzieren kann. Ausser, letztere werden durch weitere CO2-Abgaben verteuert.»

Nach diesen hochinteressanten thematischen Inputs war es an SATW-Präsident Willy R. Gehrer der Referentin und dem Referenten sowie allen Anwesenden für Ihr Engagement zu danken.

Auskunft

Dr. Claudia Schärer, Leiterin Früherkennung, Tel. +41 44 226 50 20, claudia.schaerer(at)satw.ch

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