«There is no magic around AI»
Am 5. Dezember 2019 wurde das Whitepaper «Recommendations for an AI strategy in Switzerland» an einer Vernissage vorgestellt. Dabei stellten sich die Autoren auch kritischen Fragen, was zu einer lebhaften Diskussion führte.
Rund 45 SATW-Mitglieder und weitere Fachleute waren am 5. Dezember im Zunftsaal der Zunft Schneidern in der Zürcher Innenstadt dabei, als das White Paper «Recommendations for an AI strategy in Switzerland» vorgestellt wurde. SATW-Präsident Willy Gehrer begrüsste die Anwesenden und dankte den Autorinnen und Autoren für ihr wertvolles Engagement. Danach gab er das Wort weiter an Alessandro Curioni, Direktor von IBM Research – Zurich, der das Projekt als Leiter der SATW-Themenplattform «Künstliche Intelligenz» (KI) initiiert hatte.
In seinem Referat stellte Alessandro Curioni klar, dass es «keine Magie rund um KI gibt». Das Spezielle an KI sei jedoch, dass es alle Wirtschaftsbereiche betreffe. Entsprechend gäbe es auch kein bedeutendes Land weltweit, indem nicht über KI gesprochen werde und entsprechende Strategien entwickelt würden. Im White Paper wurden Themen aufgegriffen, die aus Sicht der Autorinnen und Autoren wichtig für die Schweiz sind.
Mensch und Maschine
So besteht im Kapitel «Increase Human Trust in AI» von Hervé Bourlard die Schlüsselaussage darin, dass Mensch und Maschine zusammenarbeiten sollen. Denn nur so könnten wir die Dinge besser machen. Es gehe also weniger darum, Menschen zu ersetzen. Dazu zeigte Alessandro Curioni als Beispiel ein Projekt von IBM Research «Speech by Crowd» mit der Stadt Lugano: Den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt wurde die Frage gestellt, ob autonome Fahrzeuge weiterentwickelt werden sollen. Diese konnten nicht nur mit Ja und Nein antworten, sondern ausführliche Kommentare liefern. Bei der Auswertung der Antworten half dann KI.
Im Kapitel «A Verification Body for AI» von Manuel Kugler steht die zentrale Frage, wie wir sicherstellen können, dass KI innerhalb von gewünschten Rahmenbedingungen / Standards arbeitet. Alessandro Curioni präsentierte eine analoge Herangehensweise wie bei Lebensmitteln: Gewisse Informationen sollten preisgeben werden, bei Lebensmitteln z.B. der Zuckergehalt, aber natürlich keine geheimen Rezepturen.
Besonderer Effort in Bildung nötig
Im Kapitel «AI in Higher Education» von Joachim Buhmann geht es um das wichtige Thema Bildung, denn Fachkräft im Bereich KI fehlen nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Wir müssten auf drei verschiedenen Ebenen handeln: Die Studiengänge modernisieren und zwar in allen Disziplinen, da KI beginne, die Grundlagen der Disziplinen neu zu schreiben. Die Jungen in den Gymnasien und Sekundarschulen darauf vorbereiten, kritisch zu sein und KI-Technologien in ihrem zukünftigen Beruf und Leben sinnvoll einzusetzen. Und mittels Weiterbildung aktuellen Arbeitskräften ermöglichen, KI zu übernehmen und so effizienter zu werden.
Im Kapitel «Enable AI for SMEs» von Jana Koehler liegt der Fokus auf KMU, die in der Schweiz sehr bedeutend sind. Sie machen 99 Prozent aller Unternehmen aus. Die volle wirtschaftliche Wirkung von KI werde nur dann zum Tragen kommen, wenn KMU KI insgesamt verstehen und nutzen könnten. Auch hier zeigte Alessandro Curioni ein Beispiel von IBM Research, wie mit KI die Anwendung von KI vereinfacht werden könne, was natürlich sehr attraktiv für KMU sei, die es sich nicht leisten können, eigene Datenwissenschaftler anzustellen.
Keine KI ohne Daten
Im zweiten Referat ging es um die Grundalge für KI, nämlich Daten. Dabei wies Ernst Hafen, Professor für Systemgenetik an der ETH Zürich und Mitbegründer von MIDATA, ganz zu Beginn darauf hin, dass es um sehr persönliche Daten gehe, nämlich Gesundheitsdaten. Die Schweiz geniesse immer noch ein hohes Vertrauensniveau, was man nutzen solle.
Gibt es für die Schweiz einen dritten Weg zwischen dem Überwachungsstaat China und dem Überwachungskapitalismus in den USA? Ernst Hafen ist sich sicher, dass dies möglich ist, weil personenbezogene Daten drei einzigartige Merkmale hätten: Sie könnten leicht kopiert werden (und dank der Europäischen Datenschutzgrundverordnung kann jeder in der EU eine Kopie verlangen), sind gleichmässig auf alle Individuen verteilt (und alle sind Milliardäre bei den Genomdaten) und Individuen sind die maximalen Aggregatoren ihrer personenbezogenen Daten. Finanzielle Anreize seien die falschen. Für die Verwaltung eignet sich aus seiner Sicht das Genossenschaftsmodell am besten, wie in der von ihm mitgegründeten Plattform MIDATA.
Künstliche Intelligenz als «Ermöglichungstechnologie»
Nach dem zweiten Referat war es Zeit für die Diskussion mit dem Publikum und es wurden fleissig Fragen gestellt und Bemerkungen gemacht. Die erste Meldung aus dem Publikum zitierte den amerikanischen Ökonomen Daron Acemoglu, wonach bislang mehr Jobs weggefallen, als dazugekommen seien. Was sei dagegen zu tun? Darauf antwortet Alessandro Curioni, dass vor allem die Bildung gefördert werden müsse. Es sei klar, dass repetitive Arbeiten noch stärker ersetzt werden.
Ernst Hafen ergänzte zum Votum von Joachim Buhmann, dass Automatisierung den Menschen ermögliche, häufiger das zu tun, was sie am besten könnten, nämlich als soziale Wesen miteinander zu interagieren.
Wir sind noch sehr am Anfang.
Eine weitere Frage drehte sich um die Qualität der Algorithmen. Hier relativierte Ernst Hafen: «Wir sind noch sehr am Anfang.» Aber wir bräuchten die Daten, damit wir besser werden könnten. Dazu passte auch das Votum aus dem Publikum, KI zu demystifizieren. Das würde der KI guttun. Die Schweiz brauche nicht nur Ausbildungen für Fachkräfte, sondern auch in die Breite. Es gäbe viel Ängste. Doch sei dies wirklich Ängste vor Technologie oder eher vor Bad Players? Gegen Letztere brauche es Gesetzgebung.
Unter den Anwesenden waren auch Vertreter des Bundesamts für Kommunikation sowie des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Daniel Egloff berichtete über die Aktivitäten des SBFI. So habe der Bundesrat einen Bericht zu 17 Themen in Auftrag gegeben, der in Bälde veröffentlicht werde. Er konnte auch schon erste Aussagen machen: Die Schweiz sei gut aufgestellt, aber grosse Herausforderungen bestünden. Die Schweiz habe eine sehr gute Grundfinanzierung für die Forschung. Dieses Geld könne für KI eingesetzt werden, müsse aber nicht, womit man gute Erfahrungen gemacht habe. Dies im Gegensatz zu anderen Ländern. Daran schloss ein Votum aus dem Publikum an, dass dieser Bericht des Bundesrats dann sozusagen ein Auftrag an die SATW sein könnte, ein neues White Paper anzupacken. Man müsse den Drive nutzen.
Auskunft
Manuel Kugler, Leiter Schwerpunktprogramm Künstliche Intelligenz, manuel.kugler(at)satw.ch
White Paper «Recommendations for an AI strategy in Switzerland»
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