Gelungene Premiere des Digital TecDay in Wohlen
Am 10. Dezember fand an der Kantonsschule Wohlen der erste Digital TecDay statt. Über 60 Expertinnen und Experten zeigten den Schülerinnen und Schülern per Videokonferenz spannende Einblicke in ihr Tun. Der Tag rundete ein Podium mit Mobilitätsexperten ab.
Ein TecDay fand an der Kantonsschule Wohlen bereits zum dritten Mal statt. Als Novum als Digital TecDay, denn die Kantonsschule wollte trotz Pandemie nicht auf einen TecDay verzichten. Die über 60 Expertinnen und Experten zeigten in total 42 Modulen, woran sie arbeiten, wie Technik unseren Alltag prägt und was der aktuelle Stand der Forschung ist. So erlebten über 1000 Personen – neben den 820 Schülerinnen und Schülern auch zahlreiche Lehrpersonen und Gäste von anderen Kantonsschulen – verschiedenste technische Bereiche und konnten dank der Online-Durchführung des TecDays gar einen direkten Blick in Forschungslabore erhaschen.
«Dank dem grossartigen Einsatz unserer Expertinnen und Experten und dem Pioniergeist der Kantonsschule Wohlen durften wir den ersten Digital TecDay erfolgreich durchführen. Die Rückmeldungen sind äusserst positiv, sodass wir bereits weitere in Planung haben», freut sich Belinda Weidmann, Programm Managerin TecDays SATW.
Podiumsdiskussion: «2040 – Das Ende der Mobilität, wie wir sie kennen»
Im Anschluss an den Digital TecDay fand eine Podiumsdiskussion – per Livestream übertragen – zum Thema «2040 – Das Ende der Mobilität, wie wir sie kennen» statt. Namhafte Expertinnen und Experten diskutierten über Auswirkungen, Gestaltungsmöglichkeiten und Veränderungen zukünftiger Mobilitätsmöglichkeiten. Den Einstieg ins Thema machte mit einem Impuls-Referat Prof. Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher an der ZHAW. Im Anschluss an das Podiumsgespräch stellten die Klassen G3C und G3H der Kantonsschule Wohlen mit ihren Geografie-Lehrpersonen Christina Crameri und Nando Foppa Fragen an die Expertinnen und Experten.
«Die Frage ist nicht, ob grundlegende Veränderungen auf uns zukommen, sondern wann.»
Die Expertinnen und Experten waren sich einig: Die Gestaltung der künftigen Mobilität ist eine grosse Herausforderung: Die öffentliche Hand, die Transportunternehmen und weitere Mobilitätsanbieter müssen heute die Weichen in eine noch in vielerlei Belangen unbekannte Zukunft stellen. Dazu sind Strategien, Produkte und Dienstleistungen gefragt, die Agilität und Flexibilität zulassen. Denn: Es werden Veränderungen auf uns zukommen. Die gute Nachricht ist: Die technischen Lösungen existieren (grösstenteils) bereits. Die Mobilität der Zukunft wird vielmehr multimodal sein und müsste von den Menschen akzeptiert werden. Dies bedingt, dass die neuen Angebote praktisch, innovativ und preislich attraktiv sind. So, dass wir beispielsweise ohne weiteres auf ein eigenes Auto verzichten wollen – sowohl emotional als auch funktional.
Eine angeregte Diskussion die zu vielen Fragen führte
Der Live-Chat wurde während des Podiums rege genutzt. Da nicht alle Fragen während des Livepodiums beantwortet werden konnten, haben sich die Experten und Expertin bereit erklärt, diese schriftlich zu tun.
Welche Massnahmen hat der Kanton Aargau für die Mobilität der Zukunft bereits in Angriff genommen?
Frage an Carlo Degelo
«Der Kanton unterstützt Pilotprojekte, die einen innovativen Beitrag für einen effizienten und nachhaltigen Verkehrsmitteleinsatz leisten. Im Rahmen des Innovationsfonds Mobilitätsmanagement wurden seit 2014 sechs Projekte unterstützt. Zu diesen zählen das Mitfahrsystem «Taxito Seetal», die Carsharing-Plattform für elektrisch betriebene Fahrzeuge «E-Cargovia», eine Schulwegkampagne für Kindergartenkinder der 26 Baden Regio-Gemeinden, der Tür-zu-Tür-Shuttle «Kollibri» im Raum Brugg, das Vermietsystem von elektrischen Lastenvelos «carvelo2go» im Raum Baden sowie die Plattform für Fahrgemeinschaften «PubliRide» Baden.
Zudem hat der Kanton im 2018 basierend auf der Mobilitätsstrategie mobilitätAARGAU ein Innovationslab Mobilität lanciert. Dabei steht die interne Haltungsbildung des Departements Bau, Verkehr und Umwelt zu den prioritären Themenfeldern der zukünftigen Mobilität (dazu gehören automatisiertes Fahren, Digitalisierung Verkehrssysteme, Logistik, Mobility as a Service, Sharing & Pooling sowie energieeffiziente Fahrzeuge) im Zentrum. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Haltungsbildung sind ein bis zwei Mal jährlich stattfindende interne Workshops mit Fachpersonen aus den verschiedenen Abteilungen des Departements Bau, Verkehr und Umwelt. Ein erster Workshop wurde Anfang Juli 2020 zu den Themenschwerpunkten «Mobility-Pricing» und «automatisiertes Fahren» durchgeführt. Die Workshops dienen primär der Meinungsbildung und dem Informationsaustausch zu Mobilitätsinnovationen innerhalb des Departements Bau, Verkehr und Umwelt. Sie haben zum Ziel, Empfehlungen für die Haltungsbildung auf strategisch/politischer Ebene zu generieren und einen allfälligen Handlungsbedarf des Kantons rechtzeitig aufzuzeigen.»
Es fehlt vielleicht nicht an Potenzial für Kollibri aber es fehlt an DRUCK, vom Auto wegzukommen. Was kann die Politik da tun?
Frage an Carlo Degelo
«Der einjährige Versuch Kollibri in der Region Brugg ist bei den Nutzerinnen und Nutzern sehr gut angekommen und hat betrieblich einwandfrei funktioniert. Die Partner (PostAuto, SBB und AMAG) konnten wichtige Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt ziehen. Durchschnittlich wurden knapp 25 Fahrten pro Tag mit einer Länge von 4,2 Kilometern und eine Dauer von 10 Minuten durchgeführt. 1230 Personen nutzten das neue Mobilitätsangebot und 5852 Personen luden die Kollibri-App auf ihr Smartphone. Die drei häufigsten durch Kollibri ersetzten Verkehrsangebote der befragten Personen waren Busfahrten, Taxifahrten und Fahrten mit dem eigenen Auto. Am häufigsten waren die Kollibri-Fahrzeuge am Abend unterwegs mit Nachfragespitzen am Freitag- und Samstagabend. Zu Zeiten, da der ÖV-Fahrplan weniger dicht war, nahm die Zahl der Kollibri-Fahrten zu. On-demand-Fahrzeuge wie Kollibri weisen dank Pooling grundsätzlich eine bessere Auslastung auf als Privatfahrzeuge. Im Pilotprojekt in Brugg hat das Pooling jedoch nicht das erhoffte Niveau erreicht.
Mit dem guten öV-Angebot in der Region Brugg sowie drei Taxiunternehmen vor Ort war die Konkurrenz für ein zusätzliches Angebot wie Kollibri gross. In der Region Brugg waren zwar einige Gemeinden an einer Weiterführung von Kollibri interessiert, der dadurch erreichte Einsatzperimeter wäre aber zu klein gewesen für einen sinnvollen und kostendeckenden Betrieb.»
Ein Kollibri-Angebot wie in Brugg kann unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht eigenwirtschaftlich betrieben werden. Inwiefern ein solches On-demand-Angebot zum öffentlichen oder zum privaten Verkehr gehört, wurde im Rahmen des Projekts unter anderem in einer von PostAuto initiierten Arbeitsgruppe mit dem Bund und weiteren Kantonen intensiv diskutiert, konnte aber nicht abschliessend geklärt werden. Im Kanton Aargau fehlen heute die rechtlichen Grundlagen, um ein Angebot wie Kollibri in die ÖV-Bestellung zu integrieren. Ein allfälliger Anpassungsbedarf bei der Bereitstellung des Verkehrsangebots oder den gesetzlichen Rahmenbedingungen sollte schweizweit kompatibel und in enger Abstimmung mit dem Bund erfolgen.»
Das vorgestellte Konzept wird die Strassen in den Städten wesentlich entlasten. Gibt es bereits Studien in CH Städten die das berücksichtigen?
Frage an Prof. Dr.-Ing. Thomas Sauter-Servaes, ZHAW
«Mir sind keine Studien bekannt, die quantitativ aufzeigen, in welcher Grössenordnung die drei vorgestellten Mobility-as-a-Service-Konzepte zu einer Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs führen könnten. Diesbezüglich besteht sicherlich noch erheblicher Forschungsbedarf. Die entscheidende Frage für die Quantifizierung des Effekts ist die erzielbare Akzeptanz in der Bevölkerung. Und da haben neben den neuen Angeboten eben auch die Rahmenbedingungen (u.a. Mobility Pricing, Parkplatzangebo) eine enorme Bedeutung.»
Die E-Bike Unfallzahlen sind 2019 gestiegen. Wird bei den sehr vielversprechenden Projekten auch in die Verkehrssicherheit investiert? Wenn ja, wie?
Frage an Prof. Dr.-Ing. Thomas Sauter-Servaes, ZHAW
«Der E-Bike-Boom wird langfristig nur anhalten, wenn die Verkehrssicherheit für die Nutzer gewährleistet ist. Neben dem E-Bike und dessen Nutzer ist der bedeutendste Ansatzpunkt hierfür die Verkehrsinfrastruktur. Nur wenn wir den Veloverkehr durch die ausreichende Bereitstellung von (eigenen) Verkehrsflächen und Sicherungsmassnahmen an Kreuzungen besser schützen, ist ein ausreichendes Sicherheitsniveau zu erreichen. Nur dann kann die Mobilitätswende gelingen. Vor diesem Hintergrund liegen die entscheidenden Hebel bei den Infrastrukturgestaltern. Sicherheitssteigernde Massnahmen (z.B. Fahrersensibilisierung, Veloausstattung) können daher nur bedingt in den genannten Projekten implementiert werden.»
Problem von Velo, Fuss, und Zug: Gepäck! es ist relativ lästig oder unmöglich mit dem Velo den Gartenabfall - oder grössere Einkäufe oder zu zweit/dritt fahren.
Frage an Corinne Vogel
«Jedes Fortbewegungs-Mittel hat seine Vor- und Nachteile. Klar ist es bequem oder einfacher für grosse Einkäufe oder z.B. zum Ski-Fahren, ein Auto zu benutzen. Ich kann nur sagen, dass ich es geschafft habe, mich ohne eigenem Auto im Alltag zurecht zu finden. Für den Transport von grösseren Sachen greife ich ab und zu auf den Gepäckservice von der SBB zurück oder miete mir ein Auto, was jedoch nur etwa 2 Mal / Jahr vorkommt.»
2050 werden 25,6% aller Schweizer über 65 Jahre alt sein. Für sie und für alle ist das e-bike das gefählichste Transportmittel.
Frage an Corinne Vogel
«Die Daten vom BFU (Beratungsstelle für Unfallverhütung) zeigen, dass Senioren ab 65 Jahren die am meisten gefährdete Altersgruppe im Strassenverkehr ist. Am häufigsten passieren Unfälle, wenn Senioren jedoch zu Fuss unterwegs sind. An 2. Stelle stehen die Unfälle mit dem Auto.
Was das E-Bike Fahren anbelangt, so haben dort die Unfälle in letzter Zeit zugenommen. Ich rate darum jeder Person, welche noch nie ein E-Bike gefahren ist, einen Fahrkurs vorher zu absolvieren. Was die Zukunft betrifft, bin ich positiv gestimmt, dass die Unfälle abnehmen werden. Die zukünftigen Senioren werden bereits im jüngeren Alter ein E-Bike gefahren sein und hier die nötige Routine & Erfahrung mit sich bringen.»
Wie beeinflussen die neuen Trends in der Mobilität das Reiseverhalten von Menschen mit eingeschränkter Mobilität?
Frage an Björn Bender
«Vor allem beeinflusst die Digitalisierung und dadurch die bessere Vernetzung, Buchung und Abrechnung verschiedener Verkehrsträger die Mobilität von Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Dies ist gerade in einer alternden Gesellschaft relevant, hier gibt es viele gute Beispiele (z.B. on demand Piloten), wie Menschen wieder mobil(er) wurden.»
Hat die Bahn kein Konzept mit kleinen Einheiten z.B. 4 Plätze, der exakt dorthin fährt wo der Kunde hin möchte?
Frage an Björn Bender
«Dies ist Stand heute auf der Schiene nicht angedacht, dies wäre als Ergänzung auf der Strasse in Form von «on demand Services» auf auslastungsschwachen Routen und in Zusammenarbeit mit Partnern (z.B. Postauto) aber durchaus vorstellbar und wird bereits exploriert.»
Medienberichte
Bericht Aargauer Zeitung, 11.12.20
Bericht Wohler Anzeiger, 11.12.20 (digital TecDay)
Bericht Wohler Anzeiger, 15.11.20 (Podium)
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