Digitale Fabrikation – Zukunft des Bauens? Ja, aber …
Advanced Manufacturing, Digitalisierung
Am 28. Juni organisierte die SATW einen TecToday zum Thema Digitales Bauen. Rund 80 Personen nahmen am Anlass an der Empa in Dübendorf teil.
Gemeinsam mit dem Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein SIA, dem Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) Digitale Fabrikation, der Empa und dem Fachmagazin Tec21 führte die SATW am 28. Juni an der Empa-Akademie in Dübendorf einen TecToday durch. Der Grossteil der Teilnehmenden nahmen davor oder danach an einer Führung durch das modulare Forschungs- und Innovationsgebäude NEST teil und konnten so Innovationen im Gebäudebereich und digitale Fabrikation hautnah erleben.
Digitale Geschäftsfelder – auch in der Bauwirtschaft
Neben SATW-Präsident Willy R. Gehrer begrüsste Empa-Direktor und SATW-Mitglied Gian-Luca Bona die Anwesenden. Er betonte die Bedeutung der Digitalisierung sowie des Internet of Things und wies auf die Menge strukturierter und unstrukturierter Daten hin, die täglich generiert werden. Deshalb müsse man digitale Geschäftsfelder vorantreiben, auch in der Bauwirtschaft. Ein Pionier in diesem Gebiet ist Fabio Gramazio, Professor an der ETH Zürich und Initiator des NFS Digitale Fabrikation. Sein Inputreferat behandelte die zentrale Frage, wie sich die Umwälzungen der Digitalisierung bewältigen lassen.
Die Bauwirtschaft digitalisiere seit 30 Jahren – Stichwort Building Information Modeling (BIM). Dabei werde ein grosser Datenschatz generiert. Daten helfen, damit Prozesse optimiert werden können. Doch am Ende gehe es darum, Material zu bewegen. Digitale Fabrikation bedeute, Daten zurück in die physische Welt zu bringen. Mittels PHP-Code zeigte Fabio Gramazio, wie man menschliche Entwürfe in Instruktionen übersetzt, nach denen die Maschine baut. Er illustrierte das Prinzip mit dem «Sequential Roof», dem Dach des Arch_Tec_Lab an der ETH: Es besteht aus 50'000 Holzelementen, verbunden durch rund eine Million Nägel. Roboter fertigten aus den Elementen zunächst 168 Träger und steckten diese zur Gesamtkonstruktion zusammen. Eine solche Konstruktion lasse sich nur maschinell fertigen. Manuell könne man 50'000 Teile unmöglich korrekt positionieren, zumal sie sich alle gegenseitig beeinflussen. Für das Dach gab es keinen Plan, denn Pläne in dieser Komplexität könne man nicht handhaben.
Mensch und Maschine arbeiten zusammen
Tec21-Chefredaktorin Judit Solt moderierte die hochkarätige Podiumsdiskussion, welche die Perspektiven von Architektur, Forschung und Industrie vereinte. Laut ETH-Assistenzprofessor Marco Hutter sind es dieselben Prozesse aus der Automation, z.B. aus der Automobilindustrie, die in der Bauwirtschaft übernommen werden. «Roboter haben das Problem, dass sie schlecht auf Veränderungen reagieren.» Deshalb sei es bis zu autonomen Robotern auf Baustellen ein weiter Weg. Man müsste dort Umgebungen schaffen, die jenen von Fabriken entsprechen, wie es bei «Mesh Mould» im NEST gemacht wurde. Menschen werde es weiterhin brauchen, um die Roboter zu bedienen und auf Veränderungen und Unvorhergesehenes zu reagieren. «Die Jobprofile auf dem Bau werden sich aber verändern», ist er überzeugt.
Fabio Gramazio stimmte zu und sprach vom «digitalen Handwerker». Mensch und Maschine sind für ihn keine Konkurrenten; sie arbeiten zusammen. Als Industrievertreter betonte auch Thomas Wehrle, Vize-Direktor der Erne AG Holzbau, wie wichtig es sei, die erfolgreiche Kooperation zwischen Roboter und Mensch sicherzustellen. Man müsse die Mitarbeitenden mitnehmen und im Umgang mit neuen Technologien schulen.
Veränderungen der Jobprofile
Die Kommunikationsformen der Architektur verändern sich also: Statt Pläne zu zeichnen, werden Regeln für Prozesse entworfen. Ist diese Entwicklung erstrebenswert? Nathalie Rossetti von Rossetti + Wyss Architekten AG glaubt, dass Architekten künftig die Möglichkeiten der Robotik und der Vorfabrikation sowie die Eigenschaften neuer Materialen kennen und in die Arbeit integrieren müssten. Dies sei ein gemeinsamer Lernprozess mit Ingenieuren und weiteren Berufsleuten. «Doch kreative Arbeit, Idee und Konzeption liessen sich nicht durch Computer ersetzten.» Dies entspreche der Schweizer Tradition ergänzte Fabio Gramazio: Schweizer Architekten würden im Austausch mit Ingenieuren, Handwerkern und Lieferanten versuchen, die Prozesse zu verstehen. Mit der Digitalisierung kämen einfach neue Parameter hinzu.
Judit Solt warnte vor der Beschleunigung der Entwicklung: «Besteht nicht die Gefahr, dass insbesondere kleinere Architekturbüros abgehängt werden?» «Unsere Mitglieder oszillieren zwischen Angst, Ablehnung und Euphorie», so SIA-Präsident Stefan Cadosch. Doch Befürchtungen, dass man die Entwicklung verpasse, seien unbegründet. Die Verbände hätten Zeit genug, die Veränderungen anzunehmen. Ihre Aufgabe sei es, Ordnung ins Chaos zu bringen und Best Practice abzubilden. Der SIA mache seit 180 Jahren genau dies und werde es weiterhin tun.
Eine gute Übersicht der Veränderungen hat NEST-Geschäftsführer Reto Largo, der einige der Innovationen im NEST vorstellte. Gemäss einer Stanford-Studie würden 80 Prozent der Jobprofile im Bau in 20 Jahren anders aussehen. «Ich glaube, es wird schneller gehen.» Stefan Cadosch stimmte zu, dass sich viele Berufsbilder radikal verändern und man Tempo machen müsse. Gelassener sieht es Fabio Gramazio: Den Strukturwandel gab es schon immer und dass das Tempo zunehme, sei auch nicht neu. Die Schweiz sei gut gerüstet: «Es gibt kein Grund zur Panik».
Fördern Regelwerke den Einsatz von KI?
Beim Thema künstliche Intelligenz (KI) zeigte Fabio Gramazio sich aber verunsichert: Er glaube mittlerweile nicht mehr, dass sich Architekten nicht durch Computer ersetzen lassen. Die Industrie sei sehr regelbasiert und genormt, womit das Tor für KI weit offen sei. Bei regelbasierte Arbeiten könne sie Menschen einfach ersetzen. Ingenieure und Architekten müssten aktuell 400'000 Gesetzesartikel einhalten. Er plädierte dafür, dass Regeln reduziert und Räume für Kreativität geschaffen werden. Auch Stefan Cadosch sprach sich gegen zu viele Regeln aus, doch sei man in der Schweiz pragmatisch: Hier gebe es 210 Baunormen, in Deutschland deren 3800.
Trotzdem arbeite der SIA daran, sein Regelwerk zu reformieren und Normen zu digitalisieren, um z.B. mittels Software auf Regelverletzungen hinzuweisen. Gerade hier sieht Fabio Gramazio ein Problem: Normen seien ein Terrain, auf dem Maschinen besser seien. Wenn man es ihnen überlasse, alle Normen einzuhalten, werde der Lösungsweg sehr schmal: «Ich glaube nicht, dass wir so eine attraktive Baukultur aufrechterhalten können». Nathalie Rossetti sieht das ähnlich: Architektur sei ein menschlicher kreativer Akt: Schönheit und Ästhetik sowie ein gutes Raumgefühl lasse sich nicht programmieren. Positiv sei aber, dass neue Technologien mehr Möglichkeiten geben würden, aus der Norm auszubrechen.
Werden sich die neuen Technologien durchsetzen? Marco Hutter glaubt, es werde interessant, sobald es gelinge, die Technologien aus der Präfabrikation auf die Baustelle zu bringen. Wichtig sei, dass die Bauherren mitziehen, ergänzte Thomas Wehrle. Reto Largo glaubt, es brauche einen Dialog mit der Gesellschaft, um die neuen Technologien in den Markt zu bringen.
Für Moderatorin Judit Solt war es schwierig, nach dieser breiten Diskussion ein Fazit zu ziehen. Dennoch fand sie treffende Schlussworte: «Der Bauwirtschaft wird nachgesagt, dass sie traditionell, konventionell und träge ist. Der Anlass heute und die Themen, die diskutiert wurden, zeigen, dass das so nicht stimmt.»
Auskunft
Adrian Sulzer, Leiter Kommunikation und Marketing, Tel. +41 44 226 50 27, adrian.sulzer(at)satw.ch
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